Wie uncoole und stinkende Nerds die Popkultur revolutionierten

Lan Party
© Trammell Hudson / Flickr

Du befindest dich im Jahr 2008 und in der Schule ist es mal wieder langweilig, weil du jetzt viel lieber mit deinen Clan Mates eine neue Ini raiden willst. Schon immer waren dein Fokus nicht Partys, Klamotten oder das cool sein in der Schule und sicherlich warst du auch bei den Mädchen nicht der beliebteste Schönling. Ich bin mir fast sicher, dass sich viele jetzt angesprochen fühlen, weil sie genau wissen, worüber ich hier gerade rede. Sicherlich gibt es auch einige die nun sagen werden: „Ich war auch ein Zocker, trotzdem war ich mit Freunden draußen, hatte viele Beziehungen und habe auf meine Körperhygiene geachtet.“ Diese Menschen möchte ich aber nicht ansprechen, sondern sie damit konfrontieren, dass sie nicht die wahren Gamervibes gelebt haben.

Mir war bereits mit 13 Jahren klar, dass ich mal Progamer werden möchte. Ich war ein krasser Suchti, der sich wenig aus seiner Körperpflege oder seinem Selbstwertgefühl gemacht hat. Ich wollte einfach nur der beste StarCraft II-Spieler werden und wollte die Menschen auf den lokalen LAN-Partys beeindrucken, indem ich bereits im Alter von 13 Jahren mit ihnen mithalten konnte. Wer hätte gedacht, dass die Menschen, die früher die dicken und stinkenden Außenseiter waren, mit ihrem Hobby und ihrer Leidenschaft die Popkultur nachhaltig verändern würden. Zocken, Twitch, Esport hat längst die Popkultur nachhaltig verändert. Früher wurden wir Gamer schief angesehen, heute sind wir es, die in der Gesellschaft den Ton angeben und sogar den Sprachgebrauch verändern. Sämtliche Begriffe haben sich längst in der deutschen Mitte etabliert.

Der Weg der Gaming-Industrie war hart, steinig und schwer und sicherlich könnte ich jetzt aus 30 oder mehr Jahren Gaming-Geschichte pro Jahr einen Meilenstein herausfiltern, der dafür gesorgt hat, dass die moderne Welt heute Gamernisiert ist. Ich werde in den folgenden Punkten bestimmte Titel ansprechen, die sicherlich nicht die immer die ersten ihrer Art waren – auch wenn ich das behaupte – aber es waren eben die ersten, die das Gamingtum mehr und mehr in die Gesellschaft gedrückt haben. Mir ist klar, dass World of Warcraft nicht das erste MMORPG war und Fortnite nicht das erste Battle Royale, aber eben die ersten ihrer Art, die einen so großen Einfluss wie sie eben hatten und oder haben.

Ich werde mich gar nicht so sehr auf den Esport fokussieren, weil das hier sicherlich den Rahmen sprengt. Der Wettkampf ist sicherlich auch ein wichtiger Faktor, warum der Gaming-Markt so stark gewachsen ist, aber ich möchte mich lediglich auf den Casual-Markt konzentrieren, wobei auch der Esport-Einfluss sehr stark in den Casualgamer-Markt eingreift. Auch verzichte ich darauf – wie bereits oben erwähnt – die gesamte Geschichte über Atari und Nintendo, Arcade und die ersten Spielhallen auszuschlachten. Sicherlich ist der Grundstein für den Gaming-Markt schon vor meinem ersten Punkt, den ich genannt habe gelegt worden, ich beschränke mich auf die letzten 20 bis 25 Jahre. Wie gesagt, kann man hier noch etliche andere Titel auflisten wie zum Beispiel PUBG oder GTA V, die ebenso den Gaming-Markt nachhaltig veränderten. Ich denke aber, dass diese Punkte einfach ein kleines bisschen mehr Einfluss ausgeübt haben, als andere Spieler, wo noch ein gewisses Etwas fehlt.

Quake – Der Urvater vom Esport

Werbung

Quake hat die Türen für den professionellen Esport geöffnet und es war das erste Spiel, was durch ein richtiges Ligen- und Clansystem einen Wettbewerb auf den Plan gerufen hat. Vor allem aber waren es die beiden Gründer von id Software John Romeros und John Carmack, die den richtigen Riecher besitzen, einen so wichtigen Meilenstein zu legen. Durch das Entwickeln der 3D-Engine – wobei die Unreal-Engine mindestens genauso wichtig für den Erfolg des elektronischen Sports war – wurde das erste Mal überhaupt eine Engine veröffentlicht, woran sich Studios bedienen konnten, um somit Kosten zu sparen und dadurch wiederum bessere Spieler zu entwickeln. Ich finde Quake einfach ein geniales Spiel, bin aber eher mit Unreal 2004 groß geworden. Ich bin leider nicht wirklich in den Genuss gekommen, Quake zu spielen. Aber ich bin mir dem Pionierstatus des Titels durchaus bewusst. Nachdem Quake der Klassiker auf jeder LAN wurde, kamen weitere wichtige Titel hinzu. StarCraft, WarCraft wie auch Counter-Strike 1.6 sind die Vorreiter, die die kleine Nische des professionellen Gamings in eine neue Richtung gelenkt haben. Zunächst eroberte StarCraft die asiatische Szene wie im Sturm, bis sich dann in Europa Counter-Strike und WarCraft gefestigt hat. Mit Counter-Strike 1.6 war das Team-Shooter-Genre geboren, was bis heute unersetzlich für den Esport ist. Ohne diese Spiele wäre die Gaming-Kultur nicht so gewachsen, wie sie eben gewachsen ist.

 

World of Warcraft

Ich denke, dass World of Warcraft bis heute einer der wichtigsten Faktoren ist, wenn man den heutigen Esport- und Gaming-Markt betrachtet. Das MMORP von Blizzard hat als der Gaming-Markt eine kleine Nische war, bereits über 15 Millionen Spieler vorweisen können. Es war damals das beliebteste Spiel und hat den Gamelifestyle, von dem ich in meinem Anfangsteil gesprochen habe, etabliert. World of Warcraft war schon damals ein soziales Medium, lange bevor Facebook und Twitter überhaupt anklang fanden. Zu dieser Zeit war es unüblich, dass man in der Schule oder auf der Arbeit eine Gattung der World of Warcraft-Spieler kennenlernt. Noch seltener sah man ein weibliches Wesen, was sich in die Gefälle von Aezertoth verirrte. Dass man ein Mädchen oder eine Frau afk kennenlernt, die zudem noch zockt, war die Traumvorstellung eines jeden pubertierenden Gamer. Damit möchte ich einfach aufzeigen, wie klein und gleichzeitig seltsam es war, dass man ein Computerspiel mit vielen anderen Freunden aus aller Welt zockt. Für die Klassenkameraden oder Kollegen unvorstellbar doch für einen Zocker die wohl beste Freizeitbeschäftigung. Weil Mädchen es doof finden und gefühlt jedem Gamer es ein wenig unangenehm war, einer Frau zu erzählen, dass man gerne zockt, ist man mit Mädchen in den Teenager-Jahren oftmals einfach nicht auf einen grünen Zweig gekommen. Ich hoffe ihr wisst, worauf ich hinaus will.

Ich bin mir sicher, dass ich auch mit meiner nächsten Aussage recht habe. Aber es ist und bleibt einfach ein Fakt, dass die Make Love, not Warcraft-Folge von Southpark die wohl beste Folge ist, die jemals von der Serie produziert wurde. Und diese Folge hätte es ohne den Klassiker nicht gegeben. Es ist der Verdienst von WoW, dass durch Southpark – auch wenn die Folge maßlos überspitzt und doch so authentisch ist – unser Lieblingshobby in der Gesellschaft Anklang fand.

 

Minecraft und das Let’s Play-Videogame

Den nächsten Meilenstein in der Revolution der Popkultur hat das Spiel Minecraft erreicht. Der Sandbox-Pionier hat nicht nur ein komplett neues Genre in der Gaming-Industrie etabliert, sondern auch YouTube dazu verholfen, eine der wohl wichtigsten Plattformen im Internet zu werden. Markus Persson aka. Notch, der Entwickler vom Branchen-Veteran hat zur richtigen Zeit und am richtigen Ort Geld investiert, um dann das Spiel zu entwickeln. Ein Spiel was wohl kaum besser für einen Gamer hätte sein können, weil es so viele Möglichkeiten bietet und neben einer unendlichen Open World eben auch für Tüftler einen optimalen Spielplatz schafft.

Minecraft hat auch das erste Mal Let’s Player auf den Plan geholt. Mit Gronkh und meiner Meinung auch PewDiePie ist der Stein um die Gaming-Szene im Internet ins Rollen gekommen. Nur durch das Spiel in der Kombination mit YouTube war es sowohl YouTube als auch Minecraft und darüber hinaus auch der gesamten Gaming-Szene möglich in der Form zu wachsen. Zu dieser Zeit war YouTube schon bekannt und ohne Frage war dort das junge Publikum angesiedelt. Doch erst mit Minecraft – und natürlich vielen weiteren Spielen daneben ist YouTube wohl heute der beliebteste Marktplatz- und Werbefläche.

Ich versuche es mal so zu beschreiben: Am Anfang war YouTube eine Plattform um Videos hochzuladen, die man dann mit der Familie und seinen Freunden teilen konnte. Heute ist es eine unverzichtbare Möglichkeit für jedes Unternehmen und jede Ich-AG. Egal ob man ein Legoladen, ein Bücherhandel, ein Wissenskanal oder ein Beauty-Kanal hat – YouTube ist meiner Meinung vor allem durch Minecraft so stark gewachsen und zu einer Plattform zur Selbstverwirklichung geworden.

 

League of Legends

League of Legends ist das erste Spiel gewesen, was den Esport mehr und mehr in die kommerzielle Richtung gelenkt hat. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie damals bei mir im Freundes- und Bekanntenkreis plötzlich Menschen angefangen haben League of Legends zu spielen, obwohl sie vorher noch nie eine Maus oder Tastatur in den Händen gehalten haben. Man muss anerkennen, dass LoL die große Bühne für den Esport in der Gesellschaft aufgemacht hat. Auch wenn ich eine Kommerzialisierung vom Esport strikt ablehne, ist es nicht zu verkennen, dass es für den Erfolg und der Anerkennung der Gaming-Kultur ein sehr wichtiger Schritt war. Vor allem hat Riot Games mit dem mutigen Schritt ein Free-to-Play-Titel zu releasen einen neuen Maßstab für die gesamte Industrie gesetzt. Nur durch kostenfreie Spiele ist es den Entwicklern gelungen viel mehr Spieler anzusprechen und gleichzeitig die Profitabilität zu steigern. Sicherlich wird man die Comic-Grafik vom Spiel dafür verantwortlich machen, warum es ein so durchschlagender Erfolg ist. Aber ich denke es liegt vor allem daran, dass League of Legends es geschafft hat, das Moba-Genre zu vereinfachen, um dadurch eben auch Casuals vor die Bildschirme zu locken.

 

Fortnite der fette Durchbruch

Dem großen Durchbruch gelang es dann mit Fortnite, Gaming letztlich die Gaming-Kultur in der Popkultur zu verankern. Es gibt hier an sich wenig zu sagen und ich kann nicht wirklich erklären, wie Fortnite so verdammt groß werden konnte. Ich denke es liegt vor allem daran, dass Fortnite wieder ein neues Genre erschaffen hat und das dann mit dem Esport verbunden hat. Wie und warum Fortnite derartig Beliebtheit erlangte, kann ich nicht sagen. Es hat einfach plötzlich jeder gespielt und selbst die Kinder in der Grundschule, kennen Vermutlich mehr Fortnite-Tänze als Vokabeln. Ich denke es hat damit begonnen, dass Fortnite einfach mega viel Spaß macht. Es macht Spaß zu landen, es macht Spaß zu looten, es macht Spaß Gegner zu sehen und auf sie zu schießen. Gepusht wurde das Spiel natürlich auch durch Twitch, was zu diesem Zeitpunkt schon enorm groß war. Fortnite ist auch ein Grund gewesen, warum Twitch und YouTube noch mal ein krasses Wachstum hingelegt haben und nicht zuletzt wurde Ninja der erste Streamer, der in der High Society mitmischt. Fortnite hat bekannten Persönlichkeiten wie Marshmello und Drake die große Manege der jungen Zielgruppe geöffnet und Ninja war als Gamer und Streamer wie ein gefeierter Popstar in den größten Talkshows in Amerika.

 

Die Corona-Pandemie

Corona hat in meinen Augen der ohnehin schon mega groß gewordenen Gaming-Branche die Krone aufgesetzt und ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gaming-Markt noch weiter so stark wachsen kann. Mittlerweile kennt gefühlt jeder Twitch und selbst die größten Streamer finden langsam Anklang in den Kinderzimmern unserer jüngeren Gesellschaft. Wie bereits erwähnt hat Fortnite dafür gesorgt, dass mittlerweile auch im Kindergarten eifrig gezockt wird. Doch die Pandemie ist nicht unbedingt der Auslöser, dass mehr gezockt wird, eher hat Corona die Gaming- und Streaming-Kultur in die Gesellschaft gebracht. Ich sehe es an meinem Bekanntenkreis. Menschen die nie in irgendeiner Form gezockt haben, niemals eine Maus geschweige denn eine Tastatur in der Hand gehalten haben, streamen neuerdings. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis auch eine ältere Generation Twitch für sich entdeckt. So wie sie langsam das Internet, Facebook und WhatsApp erlernt haben. Seit dem Jahr 2020 kommen immer mehr Menschen aus meinem nähren Umfeld auf mich zu und fragen mich über Streamer XYZ aus wie gut er doch in Fifa ist oder welches Auto er sich gekauft hat. Ich denke, dass mit den Lockdown-Jahren Gaming endgültig in unserer Gesellschaft anerkannt und akzeptiert wird. Gaming ist seit dem Jahr 2020 meiner Meinung nach komplett normalisiert.

Über MuSc1 971 Artikel
Mein Name ist Lukas Mehling, aber online kennt man mich wohl eher als MuSc1. Ich bin der Gründer und Betreiber von gamerliebe.de. Auf meinem Blog geht es vorrangig um das Thema Selbstständigkeit, Arbeiten und Geld verdienen in der Gaming-Branche. Dabei fokussiere ich mich vor allem auf die Gaming-Branche und Aktien von Videospiel-Unternehmen.

5 Trackbacks / Pingbacks

  1. Warum Free-to-Play-Spiele so wichtig für Entwicklerstudios sind
  2. Mythos Counter-Strike: Diese Doku muss jeder Gamer von heute kennen
  3. Entwickler-Legende John Carmack verlässt den Meta-Konzern
  4. Eva Quadbeck: „Videospiele sind schuld an Silvester-Randalen“
  5. Jan Hegenberg: Ein Pionier und Virtuose der Gaming-Musik

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*