Warum Cutter nicht unterbezahlt sind – Ein Kommentar

Twitch Cutter
© Timo Klostermeier | ccnull.de | CC-BY 2.0 / Chefstrobel

In den sozialen Netzwerken ist mal wieder eine Debatte darüber erzürnt, wie die Bezahlung für gewisse Dienstleistungen vergütet werden sollte, was zu niedrig und was überteuert ist. Wenn solche Debatten im Internet geführt werden, sind es oftmals Designer, die für brotlose Kunst in Form von Emotes, Overlays oder andere Designs kritisiert oder in Schutz genommen werden. Die heutige Aussage, welche die gesamte Streaming-Bubble lodern ließ, geht auf den deutschen Streamer Chefstrobel zurück, der mit einem Tweet ausgesagt hat, dass er nicht bereit ist mehr als 5 Euro für ein Video zu bezahlen, welches von einem Cutter bearbeitet wird. Da der ursprüngliche Tweet nicht mehr verfügbar ist, muss ich leider auf einen Screenshot zurückgreifen, der Gott sei Dank noch auf Twitter herumschwirrt.

© https://twitter.com/spiegelbro/

Angebot und Nachfrage

Grundsätzlich kann ich zu dieser Debatte nur das Gleiche sagen, was ich auch zu den Diskussionen vorher erklärte. Was für ein Stundenlohn oder eine Bezahlung pro Video für einen Cutter gerechtfertigt ist, entscheidet sich durch Angebot und Nachfrage und darüber, was beide Parteien vereinbaren. In meinen Augen ist bei einem Geschäft niemand dafür verantwortlich darauf zu achten, wer sich nun ausbeuten lässt oder nicht. Wer seinen eigenen Preis nicht kennt, ist daran in meinen Augen selbst schuld.

Mit einem Cutter erkauft man sich in erster Linie eine Dienstleistung, aber im Grunde kauft man sich Zeitersparnis. Wenn ein Streamer pro Stunde bei seinem Stream 100 Euro verdient, für die Bearbeitung eines seiner Videos jedoch mehrere Stunden benötigt, gliedert er diese Aufgabe logischerweise aus, weil er mit mehreren Stunden Streaming mehr Geld verdienen kann als mit vielen Stunden Videos bearbeiten. Am besten heuert er eine Person an, die die Bearbeitung nicht nur besser, sondern auch viel schneller hinbekommt. Demnach kann ein Streamer auch nur einen Cutter entsprechend bezahlen, wenn er selbst mehr Geld pro Video oder durch die Zeitersparnis erwirtschaftet. Fairerweise muss man sagen, dass Chefstrobel in der Lage wäre, mehr als 20 Euro zu bezahlen.

Erwähnen sollte man aber auch, dass er selbst sagt, wie viel Arbeit in einem Video von ihm steckt. Ich versuche hierbei auch seine Perspektive zu ergründen und ziehe wenigstens in Erwägung, dass Chefstrobel seine Cutter überdurchschnittlich gut bezahlt. Ich denke, dass nur ein Interessent dieser Arbeit genau abschätzen kann, wie viel Arbeit wirklich in einem Video steckt. Wenn es wirklich ein wenig Arbeit ist – wie er sagt – könnten 150 Euro eine sehr gute Bezahlung darstellen.

Der Begriff „wenig“ ist natürlich sehr dehnbar, konkrete Zeitangaben wären vermutlich transparenter. Die Frage, die sich mir stellt, ist jedoch, warum er nicht selbst diese Videos schneidet, wenn es sich – wie er sagt – bloß um wenig Arbeit handelt. Ich möchte eine kleine Nachhilfestunde in puncto Marktwirtschaft geben. Die Dienstleistung des Cutters benötigt eine bestimmte Kompetenz, die die Einstiegshürde in diese Dienstleistung bestimmt.

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Eine Reinigungskraft zum Beispiel hat eine sehr niedrige Einstiegshürde. Ein Mensch ohne Schulabschluss, mit niedrigem Bildungsstand und selbst ohne Sprachkenntnisse ist in der Lage diese Dienstleistung auszuführen, entsprechend gering ist auch die Bezahlung für diesen Beruf. Wenn es hochkomplex wäre oder beispielsweise durch eine geringe Bezahlung eine bestimmt große Anzahl von Menschen nicht bereit wären, diese Dienstleistung gegen diese Bezahlung zu leisten, würde ein Unternehmer vermutlich in erster Linie mehr Geld bezahlen oder anderweitig die Konditionen verbessern, um somit den Beruf attraktiver zu machen. Wie mit jedem anderen Beruf ist das auch mit der Dienstleistung, die ein Cutter erfüllt.

Ich möchte hier nicht die Kompetenz eines Cutters infrage stellen, aber ich denke, es ist verhältnismäßig einfach, als Cutter anzufangen. Ich denke, dass das Angebot dieser Dienstleistung überfüllt ist und demnach auch sehr viele Menschen diese Dienstleistung anbieten. Die Einstiegshürde ist also sehr gering, weshalb jeder mit einem gecrackten Render-Programm ein wenig Taschengeld dazu verdienen möchte. Viele machen es, weil sie sich ein wenig Taschengeld dazu verdienen möchten und sind froh, wenn sie überhaupt ein paar Aufträge bekommen. Damit sie das überhaupt erreichen, bieten sie bewusst ihre Leistung unter den marktüblichen Preisen an.

Das Mindestlohn-Argument

Ein professioneller Cutter, mit Gewerbe und diese Arbeit möglicherweise Vollzeit betreibt, kennt den Markt und seinen Marktwert und wird vermutlich kein Vertrag mit Chefstrobel eingehen. Wie anhand der Reaktionen zu lesen, lohnt es sich für einen derart geringen Betrag nicht einmal seinen Computer einzuschalten. Für einen Gewerbetreibenden sind also auch gewisse Stundensätze Pflicht, damit er wirtschaftlich arbeiten kann. Auch er hat Kosten, aus welchem sich letztlich der Preis zusammensetzt. Das ist jedoch nicht das Problem des Auftraggebers – ihn interessiert selbst, was er bezahlen kann und was es ihm bringt. Und da es viele Hobby-Cutter gibt, die für deutlich weniger ihre Preise anbieten, ist es nicht unüblich, wenn ein Streamer dann auf einen solchen Editor zurückgreift. Das Argument „Das ist nicht mal Mindestlohn“ und „unter 20 Euro die Stunde brauchste gar nicht anzufangen“ ist in meinen Augen nicht wirklich gut.

Stellen wir uns mal vor, der Mindestlohn für einen Cutter beträgt 12 Euro pro Stunde. Ein Streamer – ob groß oder klein – muss zwangsläufig diesen Betrag bezahlen, obwohl er es sich möglicherweise gar nicht leisten kann. Weil dieser Preis schon jetzt über 12 Euro ist, gehen viele Streamer sicherlich auch auf Fiverr und lassen sich dort Videos schneiden. Hier gibt es Angebote von teilweise umgerechnet 5 Euro pro Video(!).

Stellen wir uns aber mal vor, dass ein Cutter aus Indonesien, Pakistan, Indien oder gerne auch aus Deutschland dazu gezwungen wäre, mindestens 12 Euro zu nehmen, er dabei aber nicht die gleiche Qualität bieten würde wie ein anderer Cutter, der ebenso 12 Euro nimmt, so würde keiner von beiden den Auftrag bekommen und im Endeffekt hätten beide dadurch kein Geld verdient. Ein Cutter hat wie jeder Mensch, der ein wirtschaftliches Interesse hat, die Möglichkeit sich selbst besser zu verkaufen oder einfach bessere Arbeit zu bieten. Ich denke, dass niemand – auch nicht Chefstrobel – wirklich lieber 5 Euro ausgeben würde für schlechte Arbeit, statt 25 Euro für professionelle Arbeit, die möglicherweise sogar dazu führt, dass seine Videos mehr geklickt werden.

Denn ein guter Cutter ist in meinen Augen durchaus in der Lage, die Klickzahlen auf Videos zu erhöhen, wenn er sie ansehnlicher gestaltet. Wenn man dem Cutter also 25 Euro bezahlt, er aber dafür sorgt, dass man 100 Euro mehr verdient, wäre man doch ein blöd, dieses Angebot nicht zu nutzen oder? Ich selbst bin grundsätzlich nicht der größte Fan eines Mindestlohns, halte ihn aber auch nicht für das absolut schlimmste. Es ist also eine Sache, mit der ich leben kann. Wenn es speziell um Deutschland geht, halte ich den Mindestlohn sogar für einigermaßen legitim, weil sich dadurch Arbeit mehr lohnt und Menschen, die arbeiten könnten, es aber nicht tun, würden dadurch mehr Anreize haben, sich nicht auf die faule Haut zu legen.

Nehmen wir das Beispiel eines Frisörsalons. Hier arbeiten zwei Mitarbeiter für 6 Euro die Stunde. Zu bedenken gilt, dass die Preise, die Kosten und demnach auch die Löhne exakt aufeinander kalkuliert wurden. Nun kommt der Mindestlohn und zwingt den Unternehmer dazu, beiden Mitarbeitern jeweils 12 Euro zu bezahlen. Dadurch muss er möglicherweise die Preise anheben und verliert damit Kunden, die nicht mehr bereit sind, für einen Haarschnitt jetzt mehr Geld zu bezahlen.

Seine Alternative wäre also, dass er einen Mitarbeiter auf die Straße setzt, wodurch der Mindestlohn für diese Person eher wirtschaftlich schädlich als nützlich ist. Für Unternehmen, die gesund sind, viel Gewinn erwirtschaften und für die ein großer Batzen übrig bleibt, für diese juckt der Mindestlohn wohl kaum. Aber für kleinere Unternehmen, die möglicherweise auch in keiner guten finanziellen Situation stecken, kann sich der Mindestlohn als äußerst unrentabel erweisen, wodurch er möglicherweise auch Mitarbeiter kündigen muss.

Jeder Unternehmer weiß, dass die Mitarbeiter die wichtigsten Ressourcen sind, um eine Firma langfristig wachsen zu lassen und ich bin fest davon überzeugt, dass gesunde Unternehmen von sich aus mehr Lohne bezahlen und Mitarbeiter-Benefits bieten, als sie müssten. Das machen sie deshalb, weil sie nicht möchten, dass die Mitarbeiter abhauen und zur Konkurrenz gehen. Wieso sonst bezahlt Microsoft, Appple, Meta und Alphabet derart Höhe Löhne und bieten sogar Krankenversicherungen und Witwenrenten an? Damit eben der nächste Mark Zuckerberg, Elon Musk, Bill Gates oder Steve Jobs in Zukunft bei einem der anderen Unternehmen die große Neuheit erfindet und das Unternehmen mehr voranbringt.

Mein Fazit

Ich selbst betreibe – nicht nur wegen meinem Blog – ein Kleingewerbe und biete dort Dienstleistungen an. Mein Ziel ist es ein wenig damit zu verdienen und mein Gehalt von meinem Hauptberuf ein wenig aufzustocken. Ich bin nicht im Ansatz in der Lage so viel Geld zu nehmen wie eine professionelle Marketing-Agentur, die die gleiche Dienstleistung wie ich anbietet und das möchte ich auch gar nicht. Ich bin froh, dass ich meine Dienstleistung für weniger als Mindestlohn anbieten könnte, weil ich weiß, dass ich überhaupt so an Aufträge komme und überhaupt was verdienen kann. Generell möchte ich aber den Cuttern auf den Weg geben, dass ihr euch im Vorfeld eure Kosten und euren Zeitaufwand für jeden Auftrag genau anschaut und euch sowohl ein Stundensatz-Modell wie auch ein Pauschal-Modell überlegt.

Wenn ihr pro Stunde zum Beispiel 15 Euro nehmt, muss euch bewusst sein, dass es für den Content Creator unfair sein kann, weil er nicht überprüfen kann, wie lange ihr wirklich für ein Video benötigt. Wenn ihr nur 20 Minuten braucht um ein Video fertig zu schneiden und ihr ihm aber dafür zwei Stunden berechnet, ist das für ihn sicherlich nicht so cool. Ein Pauschalpreis würde bedeuten, dass ihr zum Beispiel pro Video X Euro nehmt. Hierbei seid ihr in der Position, dass ihr eure Zeit möglichst effektiv einteilt und der Streamer hierbei nicht in der „benachteiligen“ Position ist.

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Mein Name ist Lukas Mehling, aber online kennt man mich wohl eher als MuSc1. Ich bin der Gründer und Betreiber von gamerliebe.de. Auf meinem Blog geht es vorrangig um das Thema Selbstständigkeit, Arbeiten und Geld verdienen in der Gaming-Branche. Dabei fokussiere ich mich vor allem auf die Gaming-Branche und Aktien von Videospiel-Unternehmen.

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