Warum Twitch-Streaming keine richtige Arbeit ist – Ein Kommentar

Twitch Streaming Arbeit
Foto: Marco Verch| ccnull.de | CC-BY 2.0

Mir ist bewusst, dass alleine die Überschrift einige Menschen im Internet triggern wird und ich muss euch vorwarnen: Der Inhalt wird noch viel mehr euren Blutdruck zum Mond schießen lassen. Dieser Artikel liegt mir aber schon seit etlichen Jahren in den Fingern und immer wieder habe ich mich zurückhalten können, doch in meinen Augen ist es nun an der Zeit, ihn zu veröffentlichen. Der Grund, warum ich ihn zum jetzigen Zeitpunkt veröffentliche, ist simple: Ich bin die ewige Debatte auf den sozialen Medien satt, die von oftmals frustrierten Menschen auf der einen Seite und von völlig ignoranten Content-Erstellern auf der anderen Seite geführt wird.

Hinzu kommt die Gesamtsituation in der Welt und unserem Land, in welchem die Menschen in der nahen Zukunft, möglicherweise mit starken existenziellen Problemen zu kämpfen haben werden. Genau in diesen Zeiten muss man die Arbeit der wertschaffenden Menschen in unserem Land würdigen und sämtliche Arroganz jener infrage stellen, die von diesem Wohlstand seit Jahren profitieren.

Das Problem an der Debatte ist in meinen Augen ein ganz großes Kommunikationsproblem. Ich möchte heute auf den Vorwurf eingehen, dass Streaming keine richtige Arbeit sei –wie es von Kritikern immer heißt. Wenn ein Twitter-User beispielsweise herausposaunt „Streaming ist keine richtige Arbeit“, dauert es nicht sehr lange, bis ein großer Content-Creator diesen Tweet per Reetweet zum Abschuss freigibt. Dabei muss man erst einmal verstehen, wie der Kritiker das überhaupt meint.

Zunächst muss also die Frage geklärt werden, was nun genau Arbeit und was wiederum richtige Arbeit bedeutet. Denn für mich gibt es zwischen Arbeit und richtiger Arbeit einen kleinen Unterschied und ich glaube, dass viele ähnlich denken, es bloß nicht ausdrücken können oder wollen. Und ich bin auch der Meinung, dass in erster Linie die Streamer diese Aussage vernünftig zu interpretieren wissen, sie auch ihre Ignoranz zu diesem Thema ablegen.

Ich für meinen Teil denke mir, dass richtige Arbeit vor allem Arbeit ist, die wertschaffend ist und im Gegenzug äußerst körperlich anstrengend – wenn auch nicht zwangsläufig. Das Bauen von Häusern, das Bauen von Straßennetz oder das Pflegen älterer Menschen, die uns den Wohlstand und die Infrastruktur gebracht haben, von der wir heute profitieren – aus eigenem Fleiß und Muskelkraft etwas zu schaffen, das ist richtige Arbeit. Ich denke zumindest, dass diese Menschen das unter „richtiger Arbeit verstehen“.

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Was heißt Arbeit? Arbeit ist das bloße Investment von Zeit, um etwas zu erschaffen. Das kann etwas sein, was den Wohlstand und die Menschheit voranbringt – wo wir wieder beim Thema richtige Arbeit wären – oder man produziert Content in Form von Artikeln, Bildern oder Videos – was auch Arbeit ist, weil man ja Zeit investiert. Eine Wertschöpfung wie in etwa ein Hausbau ist es aber trotzdem nicht.

Streaming von Games, Reactions, Glücksspiel, Just Chatting oder Ähnliches ist pure Unterhaltung und in meinen Augen nichts anderes als Daniela Katzenberger, die Geissens, die Jury von DSDS und oder Katja Krasavice. Man könnte problemlos auf diese Formate verzichten und die Welt würde sich weiter drehen. Anders als wertschaffende Arbeit. Denn was macht eine Gesellschaft, wenn sie keine Häuser, Straßen, Abwassersysteme, Nahrungsmittelversorgung oder vergleichbares mehr auf die Reihe bekäme?

Dabei möchte ich nicht die Existenzberechtigung dieser Formate infrage stellen, denn auch ich gehöre zu jenen Menschen, die nach einem harten Arbeitstag YouTube-Videos, Netflix oder One Piece-Episoden schauen möchten, um zu entspannen. Und während die einen sich Serien anschauen, schauen andere eben Fußball, gehen Angeln, kuscheln mit ihren Katzen, lesen Artikel oder schauen sich Streams an.

Wenn man nun aber Content produziert, den viele Menschen konsumieren und man damit Geld verdient, ist das gerechtfertigt, weil scheinbar ein bestimmter Anteil an Menschen bereit ist, dafür Geld zu bezahlen bzw. sich viele Menschen für diesen Content interessieren. Deshalb sage ich auch, dass der Verdienst von Streamern gerechtfertigt ist, richtige Arbeit ist es aber trotzdem nicht. Jetzt wird von Seiten der Streamer-Bubble wie folgt dagegen argumentiert: „Wir arbeiten teilweise mehr als 14 Stunden pro Tag vor der Cam und hinter den Kulissen, machen wir Steuerkram, beantworten E-Mails, treffen uns mit Kooperationspartnern oder denken uns Ideen für Giveaways aus“. Ich kann dazu nur sagen, dass selbstständig seid und ein Bäckermeister mit seinem eigenen Betrieb exakt das Gleiche tut und vermutlich sogar noch mehr Zeit investiert als ihr.

Wie in jeder Form der Selbstständigkeit steckt in dem eigenen Stream vor allem Disziplin, Ehrgeiz und Zeit drinnen, damit dieser wachsen kann. Ich behaupte nicht, dass es leicht ist, auf Twitch bekannt zu werden und alle anderen die das tun, haben schlichtweg keine Ahnung. Jene, die behaupten, dass es einfach ist: Kauft euch ein Setup, richtet euch OBS ein und beweist es! Es ist also richtig, dass Content-Erstellung Arbeit ist, IM VERGLEICH zu einem Handwerk oder anderer wertschaffender Arbeit, ist es aber eben keine Arbeit.

Abschließend möchte ich einfach nur sagen: Akzeptiert einfach, dass Streaming keine harte Arbeit ist, dass sie weniger wert ist, als die Arbeit eines Wertschaffenden und hört auf euren Standpunkt derart verbissen und bis aufs Blut zu verteidigen. Ihr verdient übermäßig gut, könnt ihr damit nicht zufrieden sein? Wollt ihr die Respektlosigkeit an den Tag legen, die Wichtigkeit eurer Arbeit mit der Arbeit von Wohlstand schaffenden auf eine Stufe zu stellen?

Die Arbeit eines großen Streamers wird sichtlich besser bezahlt und das liegt daran, dass der Markt das so entscheidet. Für viele ist das unfair, für viele – wie auch für mich – ist das irrational, aber eine bestimme Anzahl an Personen schmeißt lieber einem Multimillionär Geld in den Rachen, der bereits mehr als einen hohen Lebensstandard durch Werbung, Kooperationen und Subscriptions genießt, als einer Krankenschwester. DIe Menschen spenden lieber einem solchen Streamer Geld, anstelle eines Menschen, der für Mindestlohn fast schon menschenunwürdige Arbeit verrichtet. Die Menschen machen diese Welt unfair.

Ich selbst hasse meinen Job und aus diesem Grund möchte ich mir etwas Eigenes aufbauen, damit ich nicht länger auf diese Arbeitsstelle angewiesen bin. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand in seinem regulären Beruf zufrieden ist und seine Zeit investiert, damit der eigene Chef sich im nächsten Jahr noch einen Ferrari vor die Türe stellt. Es ist deshalb völlig in Ordnung zu sagen, dass man keinen Bock auf einen regulären Beruf hat und deshalb beginnt zu streamen, Content zu verkaufen oder einen Blog zu starten. Wenn man dann an einem gewissen Punkt angelangt ist, wird man deutlich leichter und zudem noch deutlich mehr Geld verdienen, als in seinem 9 to 5 Job.

Wer also sagt, dass Streaming keine Arbeit ist und das auch so meint, wie er es sagt, der redet einfach Blödsinn, denn es ist Arbeit, weil man ja Zeit investiert. Dabei hat man oftmals gar keine Garantie, ob das Vorhaben gelingt. Nur wenige der Streamer auf Twitch können wirklich von ihrem Content leben.

Wer aber meint, dass Streaming im Vergleich zu anderen Jobs keine Arbeit ist, der liegt mit seiner Aussage meiner Meinung nach richtig. Und an alle kleineren Streamer die (leider) noch nicht von dem Streaming leben können: Nein, auch für euch ist Streaming keine Arbeit, es ist lediglich ein Risiko was ihr eingeht, wie es andere Selbstständige ebenso tun.

Es ist völlig in Ordnung, wenn ihr einer Arbeit nachgehen wollt, wo man weniger körperliche und auch geistige Anstrengung aufbringen muss und trotzdem noch deutlich mehr verdient. Ich kann es keinem verübeln. Aber das macht die Arbeit eines Unterhalters – wie es Content-Creator nun mal sind – trotzdem nicht gesellschaftlich überlebenswichtig.

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Mein Name ist Lukas Mehling, aber online kennt man mich wohl eher als MuSc1. Ich bin der Gründer und Betreiber von gamerliebe.de. Auf meinem Blog geht es vorrangig um das Thema Selbstständigkeit, Arbeiten und Geld verdienen in der Gaming-Branche. Dabei fokussiere ich mich vor allem auf die Gaming-Branche und Aktien von Videospiel-Unternehmen.

2 Kommentare

  1. Guter Artikel, aber schwieriges Thema. Wo Arbeit anfängt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wenn man davon ausgeht, dass Arbeit anstrengend sein muss, dann gehört Streaming in den meisten Fällen wohl nicht dazu 🙂

    • Naja ich denke die meisten fangen das Streaming an, weil ihre herkömmliche Arbeit zu schwer ist :D. Aber ich denke es steht außer Frage, dass ein Streamer eine deutlich unwichtigere Arbeit nachgeht als eine Krankenschwester und ich finde es dann schon sehr respektlos gegenüber dieser Berufsgruppe wenn man sagt “Streaming ist auch Arbeit”.

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