Gaming-Offensive von Netflix: Game-Changer oder Milliardengrab?

Netflix GTA
© gamerliebe

Während Netflix zu Beginn seiner Pläne noch fleißig Studios für sein Gaming-Angebot eingekauft hat, wurde es in den letzten Monaten sehr ruhig bezüglich dieser Strategie. Obwohl aggressiv Studio um Studio akquiriert wurde, scheinen viele Nutzer noch nicht wirklich verstanden zu haben, dass Netflix auch Spiele im Angebot hat und diese als zahlender Netflix-Nutzer gespielt werden können. Letztes Jahr hat Netflix auf dem Sunset Boulevard in Los Angeles ein großes Plakat aufgestellt mit dem Slogan: „Wait, Netflix has Games?“. Daraus lässt sich ableiten, dass die Strategie von Netflix noch nicht wirklich Früchte trägt und das zusätzliche Angebot nicht die gewünschte Anerkennung erhält.

Mit der Nachricht, dass Netflix plant GTA-Titel auf seine Plattform zu holen, schlägt das Unternehmen aktuell Wellen und könnte dafür sorgen, dass der Streaming-Dienst in Zukunft von der Konkurrenz und den eigenen Nutzern ernster genommen wird. Die Antwort von dem Streaming-Dienst auf diese Unklarheit ist scheinbar den Vorstoß zu verstärken und sich vor allem darauf zu fokussieren, Spiele – die auf beliebten Sendungen von Netflix basieren – als Spiel zu realisieren. Doch nun leitet das Unternehmen sogar Schritte ein, hochwertigere Spiele zu entwickeln, die vom Fernsehen und PC gestreamt werden können. Man spricht sogar schon davon, dass Netflix gezielt Sony und Microsoft mit diesem Unterfangen attackieren möchte.

Laut Quellen – auf die sich das wallstreetjournal beruft – werden Netflix-Abonnenten in den nächsten Monaten Spiele auf ihren mobilen Endgeräten spielen können, die auf Hits wie „Squid Game“ oder „Wednesday“ basieren. Auch Spiele auf Grundlage von „Extraction“, „Black Mirror“ oder der Sherlock-Holmes-Serie sollen in Planung sein. Weiterhin sollen Lizenztitel eine wichtige Rolle in der Gaming-Strategie von Netflix spielen. So hat Netflix sogar Pläne erörtert, ein Spiel der beliebten Action-Adventure-Serie „Grand Theft Auto“ von Take-Two über eine Lizenzvereinbarung zu veröffentlichen.

Kein Kräftemessen mit Sony, Microsoft und Nintendo

Die Strategie von Netflix – Marktanteile im Gaming-Bereich zu gewinnen – gleicht jener, mit der sie bereits den Streaming-Markt erkämpft haben. Lizenztitel einkaufen, Usern Content bieten und im Gegenzug eigene Produktionen veröffentlichen. Dabei muss man jedoch bedenken, dass Netflix im Streaming-Dienst keine Konkurrenz hatte, weshalb ihrer Strategie niemand im Weg stand. Im Gaming-Markt sieht es anders aus und mit Sony und Microsoft stellt sich Netflix zwei riesigen Unternehmen entgegen, die über deutlich mehr Kapital als Netflix verfügen.

Dabei denke ich, dass Netflix darauf abzielt ein Stück vom Kuchen zu bekommen und es wäre größenwahnsinnig aus Sicht von Netflix anzunehmen, irgendwas gegen Microsoft, Nintendo oder Sony ausrichten zu können. Laut dem Marktforschungsunternehmen Newzoo wird der weltweite Umsatz in der Gaming-Branche in diesem Jahr voraussichtlich 187,7 Milliarden Dollar erreichen und wenn Netflix nur ein paar Prozent von diesen bekommt, sind das einige Milliarden, die Netflix zusätzlich verdienen kann.

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Noch erwirtschaftet Netflix keine Einnahmen aus den Spielen, sondern das Portfolio der Spiele dient eher dazu einen Synergieeffekt zu erzeugen und User zu einem zahlenden Abo zu überzeugen, wenn ihre Serien pausieren oder mit den Spielen neue zu gewinnen. Im Juni konnte Netflix immerhin 5,9 Millionen neue Abonnenten gewinnen. Aktuell denke ich aber nicht, dass die Spiele dafür verantwortlich sind, sondern eher die neuen Filme und die guten Serien.

Und genau diese Annahme wird durch die App-Tracking-Software Apptopia bestätigt. Bis zum 20. September wurden weltweit 70,5 Millionen Mal Spiele von Netflix heruntergeladen, gegenüber 30,4 Millionen Mal im Vorjahr-September. Im Vergleich zu den Downloadzahlen von Roblox, Candy Crush oder Tencent-Titeln ist das eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Laut Apptopia sollen weniger als 1 Prozent der rund 240 Millionen Netflix-Abonnenten täglich Spiele von Netflix zocken.

Und noch weitere Faktoren sorgen dafür, dass die Gaming-Offensive von Netflix noch nicht so wirklich zünden möchte. Netflix hat festgestellt, dass etwa die Hälfte der Abonnenten – die auf der App die Schaltfläche “Get Game” drücken – das Spiel auch tatsächlich spielen, so eine Person, die mit dem Spielbetrieb des Unternehmens vertraut ist. Das könnte daran liegen, dass die Abonnenten in einigen Fällen erst in den App Store von Apple gehen müssen, um das Herunterladen der Spiele abzuschließen. Außerdem dauert das Herunterladen der Spiele lange und verbraucht zudem viel Speicherplatz.

 

Eine Milliardenschwere Offensive

Ich denke, dass Netflix noch viel mehr Geld in die Hand nehmen muss, damit die Strategie fruchtet. Bisher wurden nach Analystenschätzungen etwa eine Milliarde Dollar für Spiele ausgegeben und damit ist es noch lange nicht genug. Stellenausschreibungen von Netflix suchen nach Führungspositionen für die Gaming-Sparte und sogar Stellen für Big-Budget-Spiele werden gesucht. Ein Team aus 400 Mitarbeitern soll hierbei diese Gaming-Strategie zum Erfolg führen, was Unmengen an Kosten für Netflix bedeutet, in welchen die Entwicklungskosten für potenzielle AAA-Games nicht mal mit einberechnet sind.

Die Befürchtung von internen Führungskräften ist hierbei, dass zu viel Geld in eine ungewisse Zukunft investiert wird und damit Gelder für das Verbessern des Kerngeschäfts wie neue Filme oder Serien gesteckt wird. Auf der anderen Seite gibt es Befürworter dieser Strategie, die auf die Dringlichkeit – Kunden anzuziehen und zu halten – verweisen. Im letzten Jahr verzeichnete Netflix einen Rückgang der Abonnenten – das erste Mal seit über einem Jahrzehnt. Netflix möchte wohl eine neue Preiserhöhung damit rechtfertigen, dass sie ein breites Spielangebot liefern. Ob das die Kunden mitmachen, bleibt abzuwarten.

Mit Mike Verdu stellt Netflix einen Veteranen ein, der bereits bei Meta und Electronic Arts gearbeitet hat. Im September fing dann Netflix an, mit Night School Studio das erste Studio zu kaufen. Im darauffolgenden Jahr erwarb das Unternehmen Boss Fight Entertainment, das Action- und Story Games entwickelt, und Next Games, das Spiele auf der Grundlage von Serien wie „Stranger Things“ von Netflix und „The Walking Dead“ von AMC Networks entwickelt hatte.

Netflix geht andere Wege und arbeitet sogar an einer App, die das Smartphone in einen Controller verwandelt, sodass Spiele auf einem Fernseher oder Computer gespielt werden können. Die App wird derzeit in Kanada und Großbritannien getestet.

Einige Führungskräfte von Netflix befürchteten, dass dieser Ansatz die Art von Spielen – die das Unternehmen anbietet – einschränken könnte. Actionspiele würden wahrscheinlich einen traditionelleren Controller mit hervorstehenden Tasten benötigen. Trotz dieser Einschränkungen hat sich Netflix für den Handy-Ansatz entschieden.

Der Einstieg in das Streamen von Spielen – also Cloud-Gaming – wäre für Netflix angesichts der aktuellen angesprochenen Probleme von herunterladbaren Handyspielen sinnvoll. Cloud-basiertes Gaming ist jedoch teuer und schwer umzusetzen. Im Gegensatz zu Filmen und Musik sind Spiele interaktiv und bieten detaillierte Bilder, die in Echtzeit basierend auf den Aktionen der Spieler erstellt werden. Selbst Google hatte Schwierigkeiten – mit seinem Cloud-Gaming-Abonnementdienst Stadia – Fuß in der Branche zu fassen.

 

Fazit

Auch wenn alle Zeichen aktuell dafür stehen, dass Netflix massiv Geld mit ihrer Gaming-Offensive verbrennt, glaube ich, dass die Strategie per se nicht schlecht ist. Immer mehr Unternehmen – vor allem aus der Unterhaltungsindustrie – fangen an den Wert von Videospielen als Freizeitaktivität von Menschen zu erkennen. Selbst die New York Times hat Erfolge damit erzielt, ihren Abonnenten Spiele wie „Wordle“ oder „Spelling Bee“anzubieten, um sie zu halten. Und auch Disney ist laut Branchengerüchten wohl aktuell dabei, sich einen Kauf von Electronic Arts zu überlegen.

Für eingefleischte Gamer entscheidet mit Sicherheit nicht das zusätzliche Portfolio an Spielen darüber, ein Netflix-Abo abzuschließen. Für den Ottonormalverbraucher könnte es einen Anreiz bieten. Es sind nicht die Gamer der alten Schule, die Candy Crush, Clash of Clans oder Spelling Bee spielen, sondern eher Menschen der älteren Generation und Gen-Z-Heranwachsende. Damit Netflix es schafft durch Spiele neue Subscriber zu erhalten, müssen die Spiele einen gewaltigen Mehrwert bieten, was sie in meinen Augen aktuell nicht tun.

Die Strategie ist aktuell noch in den Kinderschuhen, weshalb es zu früh ist, den Erfolg dieser Strategie bemessen zu können. Man sollte jedoch niemals die Kompetenz und die Weitsicht eines CEOs unterschätzen, welcher ein Unternehmen wie Netflix zu dem macht, was es heute ist. Aber blind vertrauen sollte man ihm keinesfalls.

Selbst ein Powerhouse wie Google ist mit dem Vorstoß in den Gaming-Bereich gescheitert, wieso sollte man also nun annehmen, dass Netflix mit deutlich weniger Kapital eher in der Lage wäre als Google? Ich für meinen Teil halte Google seit mehreren Jahren längst nicht mehr für das innovative Unternehmen, was es einst war und ich denke auch, dass Google bzw. Alphabet im Rahmen der eigenen Möglichkeiten deutlich unter ihrem Potenzial bleibt.

Vielleicht denkt sich der Co-CEO von Netflix ähnliches. Greg Peters hat das Engagement des Unternehmens für Spiele bekräftigt. Er sagte im September zu Investoren: „Wir wissen, dass wir nicht verschwinden werden … denn eines Tages werden wir mit Spielen auf allen Geräten präsent sein, die wir bedienen.“

Laut der oben erwähnten Quelle ist Netflix im Gespräch mit Take-Two, um sich den Zugang zur beeindruckend beliebten Grand Theft Auto-Reihe zu sichern. Es ist unklar, ob es sich um einen neuen Titel handelt oder ob Netflix einfach frühere Veröffentlichungen – wie z. B. San Andreas – für seine Abonnenten verfügbar machen möchte. In jedem Fall wäre es ein unglaubliches Statement, wenn es einen der Rockstar-Titel auf seine Plattform bringen könnte und dann denke ich, dass dadurch neue Subscriber gewonnen werden können.

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Mein Name ist Lukas Mehling, aber online kennt man mich wohl eher als MuSc1. Ich bin der Gründer und Betreiber von gamerliebe.de. Auf meinem Blog geht es vorrangig um das Thema Selbstständigkeit, Arbeiten und Geld verdienen in der Gaming-Branche. Dabei fokussiere ich mich vor allem auf die Gaming-Branche und Aktien von Videospiel-Unternehmen.

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