State of AAA Gaming: Warum große Releases nur noch enttäuschen

AAA Gaming
© gamerliebe

Nachdem im Jahr 2022 ein katastrophaler Release dem anderen folgte, muss man sich leider eingestehen, dass es auch in diesem Jahr keine wirkliche Verbesserung in Sicht ist. Ich will in diesem Artikel gerne einen Blick auf die Gaming-Branche werfen und vor allem Indie-Produktionen mit AAA-Produktionen vergleichen und damit auf der einen Seite für potenzielle Anleger wie auch für Konsumenten diese Industrie näher bringen. Auch will ich auf die aktuell wirklich missliche Lage der Branche eingehen und wieso – aus Sicht vieler Gamer – kein funktionierendes Spiel mehr auf den Markt kommt.

Sowohl kleine Indie-Studios wie 11Bit, PlayWay, TinyBuild oder Team17 wie auch in große AAA-Studios wie Ubisoft, Activision Blizzard, Nintendo oder CD Projekt kann man investieren und ausnahmslos alle sitzen im selben Boot und sind auch maßgeblich an den schrecklichen Veröffentlichungen beteiligt. Vorweg möchte ich sagen, dass ich keine Anlageberatung gebe oder auch keine hier genannten Unternehmen weder in ein gutes noch in ein schlechtes Licht rücken möchte.

Auch wenn die Releases wie Diablo IV, Baldurs Gate, Tears of the Kingdom oder Hogwarts Legacy nicht unbedingt mit einem unspielbaren Zustand auf sich aufmerksam gemacht haben, gab es immer wieder große Entwicklerstudios, die mit ihren neuen Spielen auf ganzer Linie enttäuscht haben. Bugs, Performanceprobleme, lieblose Details und dann am Ende ein Statement auf Twitter, wie leid es dem Studio tut, dass wir Spieler eine dermaßen große Enttäuschung mit ihrem Produkt erlebt haben. Warum läuft es so, wie es aktuell läuft? Und geht der Trend weiterhin in Richtung Status Quo oder ist eine Verbesserung in Sicht?

Früher war es üblich, dass ein Studio ein Spiel entwickelt hat und dieses dann auf den Markt gebracht hat. Die Menschen haben es über einen Zwischenhändler gekauft und alle waren zufrieden, wenn das Spiel sich denn auch entsprechend gut verkauft hat. Doch mittlerweile läuft die Branche anders und es gibt verschiedene Arten der Monetarisierung. Denn mit der Digitalisierung und den sozialen Medien hat sich auch die Art und Weise verändert, wie wir Spiele kaufen und konsumieren. Gamer wollen zusammen mit anderen Spielern zocken und wollen vor allem Geld für kosmetische Dinge ausgeben.

Während Sony noch am ehesten auf das klassische Modell setzt, ein großes Spiel wie Last of Us, Ghost of Tsukima oder God of War anbietet – gibt es auch immer mehr Free to play-Modelle, die sich durch Ingame-Käufe finanzieren. Das Studio war hier mit bestem Beispiel vorangeht, ist Riot Games – die Valorant und League of Legends seit mehreren Jahren erfolgreich genauso finanzieren. Ein Spiel ist völlig kostenlos, während kosmetische Inhalte wie ein anderes Aussehen des Charakters, der Waffe oder der Rüstung eben Geld kosten. Dabei bieten diese Käufe keinen Vorteil im Spiel.

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Freemium-Modelle – die vor allem auf dem mobilen Markt verbreitet sind – haben zwar auch als Grundlage, dass das Spiel kostenlos ist, jedoch hat man ohne Geld zu bezahlen einen deutlich höheren Zeiteinsatz als jene, die Geld für Ingame-Artikel bezahlen. Dabei ist es auch keine Seltenheit, dass man durch das Bezahlen von Echtgeld bessere Rüstungen, Waffen oder Fähigkeiten bekommt, als jene, die kein Geld bezahlen.

Freemium-Modelle stehen deshalb stark in der Kritik, da sie psychologische Aspekte im Gehirn und im Verhalten von Konsumenten aktivieren, um sie förmlich süchtig zu machen und dazu ermutigen, Geld für quasi wertlose Dinge zu bezahlen. Diese Modelle oder auch ein Mix aus diesen reicht für ein Studio scheinbar nicht mehr aus, um profitabel arbeiten zu können – obwohl sie teilweise Milliarden Gewinne erwirtschaften.

Sie möchten schlichtweg noch profitabler werden, weshalb auch das Einsparen und Rationalisierung von Kosten dazugehört. Auf der anderen Seite werden die Ansprüche der Gamer immer höher oder? Die Studios denken scheinbar, dass jedes Spiel eine offene Welt bieten muss, eine tiefgreifende Story erzählen, eine Grafik nach aktuellen Standards sowie einen Multiplayer oder zumindest Coop-Modus beinhalten muss. Dabei ist eine offene Welt – in welcher dem Spieler Abwechslung geboten wird – mit einer packenden Geschichte bereits ein riesiger finanzieller Aufwand für ein Studio.

Kommt dann noch ein Multiplayer-Modus hinzu, wo ein Report-System, ein Balancing und regelmäßige Neuerungen gestemmt werden müssen, entstehen für Studios Unmengen an Baustellen. Erst vor einigen Wochen wurde bekannt, dass GTA VI mit seinen Produktionskosten an der zwei Milliarden Marke kratzen soll. Doppelt so viel also, wie AAA-Spiele in der heutigen Zeit und selbst eine Milliarde für ein Spiel ist bereits eine absolute Seltenheit. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 kam Destiny raus und stellte bereits beim Release einen Rekord auf: Das Spiel war zum damaligen Zeitpunkt mit 500 Millionen Dollar das Spiel mit den höchsten Entwicklungskosten.

Die Spielentwicklung wird also immer teurer, was dafür sorgt, dass ein Unternehmen bei dem Release ein immer größeres Risiko trägt und im Falle eines finanziellen Flops, Leute entlassen muss oder andere Spieletitel vernachlässigen muss.  Triple A hat sich in der Gaming-Branche und unter den Konsumenten unlängst als Qualitätsmerkmal herausgestellt. Von Nintendo, Blizzard, Sony, Bethesda oder Ubisoft konnte man eben immer eine gewisse Qualität erwarten und hat diese auch gerne mit 50 oder 60 Euro bezahlt. Doch diese Qualität kann scheinbar nicht mehr aufrechterhalten werden.

Was kann man gegen diese Situation im AAA-Markt machen?

Dass Spiele mal verschoben werden, ist absolut keine Neuheit und üblich in der Branche. Doch in den letzten Jahren ist das nicht Einhalten von Release-Terminen regelrecht der gute Ton geworden. Die Ära der miserablen Releases, Verschiebungen oder Twitter Posts hat damals – meiner Meinung nach – Cyberpunk 2077 ins Rollen gebracht.

Schon immer galt CD Projekt als eines jener Studios, die Spiele dann auf den Markt bringen, wenn sie fertig und spielbar sind. Genau aus diesem Grund wurden sie innerhalb der Szene nahezu vergöttert. Doch was sich wie ein schlechtes Skript anhört, ist leider wahr geworden: Vor allem CD Projekt gilt heute als Vorreiter der Misere, die wir heute im AAA-Bereich wiederfinden. Der Super-GAU der Cyberpunk-Veröffentlichung – der zuvor auf Marketinglügen, falschen Versprechungen, wiederholten Verschiebungen und katastrophaler, interner Kommunikation aufgebaut wurde – passierte.

Auch die GTA Infinitiv Edition, WarCraft III: Reforged, Redfall, Pokémon Karmesin und Purpur, Pokémon Legend Arceus, Forspoken, Battlefield 2042, Lord of the Rings: Gollum, Star Wars Jedi Survivor – Alles Spiele, die entweder massiv nach hinten verschoben wurden oder bei Release in einem fast schon unspielbaren Zustand erschienen sind und auch alle nach Cyberpunk 2077 oder kurz zuvor erschienen sind.

Doch warum machen die Studios sowas? Wissen sie es nicht besser? Machen sie es bewusst, weil die Konsumenten es trotz aller negativen Erfahrungen trotzdem kaufen? Sind sie bösartig und wollen uns Gamer bewusst schaden? Denken sie sich, dass wir blöden Konsumenten das Spiel eh kaufen und nicht refunden? Ist es Investorendruck? Kein negatives Feedback der großen Spielergemeinde geht an einem Studio doch spurlos vorbei und deshalb ist anzunehmen, dass die Unternehmen genau wissen, wie schlecht sich ein unfertiger Release auf das Image der Firma auswirkt. Umso verwunderlicher ist es, dass dann dennoch solche Erscheinungen auf den Markt geworfen werden.

Ich denke, dass diese Veröffentlichungen möglicherweise die Ergebnisse der Covid-Pandemie sind, die dafür sorgte, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Studios mit Strapazen übersät wurde. Aber auch Kosten und in gewisser Weise Investorendruck sind Gründe. Ein Spiel zu entwickeln kostet massiv viel Geld und es ist nicht ungewöhnlich, dass daran mehr als 100 sehr gut bezahlte Entwickler, Grafiker und Story-Schreiber arbeiten.

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Die Entwicklungszeit wird teilweise über Jahre angesetzt und ich denke, dass das Studio irgendwann an einen Punkt kommt, an dem das Spiel Kosten X erreicht und jede weitere Stunde – die ab diesen Punkt weiter gearbeitet wird – ist ein Verlust. Das Studio kommt also in das Dilemma abzuwägen, wie viel Geld man für die reine Entwicklung verbrennen kann und wie viele Leute man mit diesem Spiel erreichen kann. Ein Spiel welches über mehrere Jahre entwickelt wird, verliert auch irgendwann den Anschluss an den technischen Fortschritt der Branche.

Wenn also Ray Tracing der aktuelle grafische Standard ist, wird dieser es in den nächsten Jahren möglicherweise nicht mehr sein. Also muss man wieder nachbessern und noch mal mehr Geld investieren und ist auch dann wieder nicht sicher, ob das Spiel überhaupt ein Erfolg wird. Ein Spiel kostet also dermaßen viel Geld, dass die Entwicklerstudios möglicherweise dazu gezwungen sind, ihre teuren Projekte auf den Markt zu bringen – denn was haben sie sonst für eine Wahl?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ein Studio an jenem Punkt wo ein Projekt das Budget sprengt und Gefahr unterläuft nicht mehr genug einzuspielen, das Spiel einfach auf den Markt gebracht wird und darauf spekuliert wird, dass es genug Konsumenten gibt, die es dann trotzdem kaufen. Ein weiteres Problem was ich sehe ist, dass die Fachpresse diese Spiele schon oftmals vor Release teilweise in den Himmel lobt. Dabei muss man verstehen, dass der eingefleischte Kern der Gamer – die nichts auf die Fachpresse geben – schon längst nicht mehr die wichtige Kernkundschaft der Spieleentwickler ist.

Ein enorm großer Teil an Otto normal Verbrauchern – die Videospiele konsumieren –hören auf diese Bewertungen, kaufen die Spiele und denken möglicherweise, dass diese Bugs normal sind und oder finden sich einfach damit ab. Und deshalb ist es auch sehr schwer für uns eingefleischte Gamer etwas dagegen zu tun, weil wir eben nicht mehr die Mehrheit der Käuferschicht bilden und vermutlich nur noch einen kleinen Teil des Umsatzes ausmachen.

Der Anspruch der Gamer

Man kann die aktuelle Lage in der Gaming-Branche meiner Meinung nach sehr gut mit der Musikindustrie vergleichen. Wenn in Zeiten von Autotune jeder in der Lage ist Musik zu machen und durch TikTok und Spotify jeder einen viralen Hit landen kann, ist es plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Künstler die vorher Millionenfach Platten verkauft haben, diese auch weiterhin verkaufen können. Für uns Konsumenten ist das in gewisser Weise aber gut: Wir bekommen viel mehr Angebot und können aus viel mehr Auswahl die Sachen heraussuchen, die wir gut finden. Auch wenn dadurch oftmals der Eindruck erweckt wird, dass die Qualität sich mindert. Gründe dafür – wie der Konkurrenzkampf – habe ich ja bereits oben aufgeführt.

Vor allem durch die Unity-Engine – die sinnbildlich für Spotify, TikTok und Autotune steht – ist es fast jedem Menschen möglich aus seinem Kinderzimmer heraus ein Spiel zu entwickeln und es auf Steam anzubieten. Der Markt ist also komplett übersättigt und selbst ein AmongUs, Fall Guys oder Stardew Valley kann dafür sorgen, dass wir ein anderes AAA-Spiel nicht kaufen oder nicht spielen – denn unsere Zeit ist begrenzt. Das Angebot konzentriert sich nicht wie früher auf wenige Blockbuster-Titel, sondern es gibt mittlerweile eine Auswahl von Millionen von Titeln, die von mehr oder weniger Personen gespielt werden.

In meinen Augen bietet der Xbox Game Pass die ideale Antwort auf die aktuelle Misere in der Branche. Er bietet vielleicht nicht die besten und größten Spiele, aber er bietet die Möglichkeit – vor allem für Casual-Spieler – eine enorme Auswahl, für die ein User verhältnismäßig wenig Geld bezahlen muss. Vor allem mit der finalisierten Übernahme von Activision Blizzard wird der Game Pass um das ergänzt, was ihm über Jahre gefehlt hat – große Blockbuster-Titel wie Diablo, Call of Duty oder Overwatch. Der große, langersehnte AAA-Titel – der für den Vollpreis von 70 Euro erhältlich ist – kann den Spieler enttäuschen. Beim Game Pass hingegen kann man Spiele zocken wie man möchte und wenn sie nicht gefallen, kann man sie einfach links liegen lassen. Aber man bezahlt eben nicht für jeden Titel jedes Mal separat, sondern monatlich, wobei man zocken kann, was man möchte und so viel man möchte.

Fazit

Ich denke, dass wir uns in einer Blase der Videospielentwicklung befinden. Das mache ich daran fest, dass es immer mehr Spiele auf dem Markt gibt, die vor allem von immer kleineren Studios entwickelt werden. Der Markt ist komplett gesättigt und auch wenn jedes Spiel anders ist und sicherlich toll und super Unterhaltung bietet, ist die Zeit und Geld von uns eben nur begrenzt und wir können nicht alles kaufen und nicht alles spielen.

Die Games-Branche braucht eine Veränderung und ich denke, dass KI diese Veränderung ist. Ich denke, dass vor allem in der Qualitätssicherung, im Designen und Schreiben von Quests und vor allem bei NPC-Dialogen nicht mehr auf KI verzichtet werden kann, da diese Technologie Unmengen an Mitarbeitern einspart und zudem gleiche oder gar bessere Arbeit abliefert. Aus Sicht eines profitorientierten Unternehmens ist es also nicht verwunderlich oder verwerflich, dass man Mitarbeiter kündigt und dafür mehr auf KI setzt bzw. auf weniger Mitarbeiter, die mit dieser KI umgehen können.

Ich glaube, dass der Game Pass ein Grund ist, warum die aktuelle Art und Weise wie wir Videospiele konsumieren, maßgeblich ändern wird und Studios sich dem deutlich besser skalierbaren Geschäftsmodell anpassen werden müssen. Microsoft erkennt also das Problem in der Branche und scheint aktuell auf einem guten Weg zu sein, dieses Problem zu lösen und einen neuen Weg der Profitabilität zu gehen.

Das Traurige an dem aktuellen Status Quo in der Industrie ist aber, dass Capcom beweist, dass man mit fertigen und bugfreien Veröffentlichungen erfolgreich und profitabel sein kann. Umso mehr wundert es mich, dass nicht alle Studios in der Lage sind es ihnen gleichzumachen. Dennoch sehe ich den Veränderungen in der Branche positiv gegenüber und auch wenn ich das Game Pass-Modell und die anbahnende Monopolstellung von Microsoft nicht gutheißen kann, bin ich mir auch bewusst, dass eine solche Veränderung leider kommen muss, wenn man nicht ständig mit Releases enttäuscht werden möchte.

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Mein Name ist Lukas Mehling, aber online kennt man mich wohl eher als MuSc1. Ich bin der Gründer und Betreiber von gamerliebe.de. Auf meinem Blog geht es vorrangig um das Thema Selbstständigkeit, Arbeiten und Geld verdienen in der Gaming-Branche. Dabei fokussiere ich mich vor allem auf die Gaming-Branche und Aktien von Videospiel-Unternehmen.

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