Wohl kaum ein Studio ist so beliebt wie CD Projekt, weil es seine Fans versteht und sich normalerweise lange Zeit lässt, bis ein Spiel endgültig fertig ist. Ein solches Verhalten, obwohl sie Investoren im Nacken haben, die Fans des polnischen Unternehmens ihnen hoch angerechnet. Doch die Zeiten haben sich geändert – innerhalb von nur wenigen Monaten hat CD Projekt ihren gesamten Ruf zerstört und hinterlassen einen großen Imageschaden. Was ist schiefgelaufen? Immer wieder machen viele Gründe die Runde, doch welche genau für diesen desaströsen Zustand verantwortlich sind, das ist noch nicht ganz klar. Der Artikel vom Branchen-Insider Jason Schreier, welcher auf Bloomberg veröffentlicht wurde, zeigt sogar einen sehr tiefen Blick hinter die Kulissen. Damit steht fest, dass CD Projekt eben nicht das Unternehmen zu sein scheint, was es in der öffentlichen Wahrnehmung vorgibt zu sein.
What went wrong with Cyberpunk 2077? Interviews with more than 20 current and former CD Projekt staff paint a complex picture. Unchecked ambition, technical woes, unrealistic deadlines, and above all, one belief: “We made The Witcher 3 — it’ll work out.” https://t.co/T56huHkQW8
— Jason Schreier (@jasonschreier) January 16, 2021
Cyberpunk griff auf eine neue Technologie zurück, die vor allem auch durch den Einsatz neuer Mitarbeiter überhaupt erst realisierbar scheint. CD Projekt ist bei der Produktion also grundlegend ein großes Risiko eingegangen, da sie sich nun in einem Segment befanden, welches für sie völlig neu war. Ein großer Mangel während der gesamten Produktion war, dass CD Projekt ein Spiel parallel zur Engine entwickelten. „Das ist wie, wenn man einen Zug steuert und während der fährt, werden vor ihm die Gleise verlegt. Man hätte erst einen gewissen Vorsprung erarbeiten müssen, bevor man den Zug ins Rollen bringt″, so ein Entwickler von CD Projekt zu Jason Schreier.
Ein weiterer Insider – Adrian Jakubiak, ein ehemaliger Audio-Programmierer bei CD Projekt – gibt bekannt, dass in einem Meeting bereits Fragen vom Team die Runde machten, wie das Studio es schaffen wolle, ein besseres Witcher in einem gleichen Zeitrahmen die
Das Spiel ist seit 2012 angekündigt, dennoch starteten die Entwicklungen erst Ende 2016. Vieles wurde zwischenzeitlich verworfen und als es sogar zu Differenzen kommt, verließen mehrere Top-Entwickler das Studio. Laut mehreren Insidern lag der Fokus vom Studio darauf die Außenwelt zu beeindrucken, weshalb auf der E3 auch eine starke Persönlichkeit mit Keanu Reeves vorgestellt wurde, die in Kombination mit einer der wohl vielversprechendsten Städte der Videospielindustrie, ein neues Level vom Rollenspiel abzuliefern.
Mittlerweile ist bekannt, dass die Demos die Cyberpunk vorgestellt hat, eine blanke Fälschung sind. Es ist also nicht besonders verwunderlich, dass Journalisten und die Fachpresse Cyberpunk 2077 in den Himmel lobten. Technische Voraussetzungen waren zu diesem Zeitpunkt nicht fertiggestellt, weshalb dann später auch sämtliche Gameplay-Features weggefallen sind. In die Entwicklung der Demo flossen einige Monate an Programmierung, die die Entwickler deutlich besser nutzen können.
Ebenfalls für große Schlagzeilen hat gesorgt, dass das Management von CD Projekt klar gesagt hat, dass man keine Überstunden machen muss, dennoch beklagten sich einige Mitarbeiter, dass Vorgesetzte Druck auf die Mitarbeiter ausübten, wenn sie keine machen. Dabei sollen laut den Informationen von Jason Schreier 13 Stunden pro Tag, fünf Tage die Woche für viele Programmierer an der Tagesordnung gewesen sein.
A few responses from CD Projekt studio head and Cyberpunk 2077 director Adam Badowski: https://t.co/3fUAbaJUWf
— Jason Schreier (@jasonschreier) January 16, 2021
Auf der E3 im Juni 2019 gab CD Projekt den Release von Cyberpunk 2077 bekannt: das Spiel soll am 16. April 2020 erscheinen. Während die Fans sich vor Hype kaum halten konnten und CD Projekt einen der wohl größten Auftritte der gesamten Messe hingelegt hat, stieß man intern auf große Verwunderung. Niemand kann verstehen, wie das Spiel bereits in dieser Zeit auf den Markt kommen kann. Das Team ist sehr schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass das Spiel erst im Jahr 2022 so weit sein kann und so schloss man sogar Wetten ab, dass sie das Spiel noch einmal verschieben.
An The Witcher 3 arbeiteten 240 Entwickler, an Cyberpunk 2077 mehr als Doppelt so viele. Nun könnte man meinen, dass das Projekt dadurch enorm profitiert, jedoch klagten Entwickler über die Größe des Teams und da CD Projekt zum ersten Mal in dieser Größenordnung agiert, fühlten sich oftmals ganze Teams isoliert und unorganisiert. Gleichermaßen fühlten sich die Programmierer von Cyberpunk 2077 unterbesetzt. Vergleicht man zum Beispiel die Anzahl der Mitarbeiter an dem Projekt mit AAA-Titeln wie Red Dead Redemption oder GTA V wird klar, dass selbst 500 Entwickler für Cyberpunk ein Witz gegen mehrere Tausend von Studios wie Rockstar aussehen.
Die Zeit zum Release rückte näher und der Fortschritt des Spiels war noch immer nicht vollendet. Das Management gab die klare Vorgabe, dass eine Verzögerung nicht infrage kommt. Das Spiel soll fertig sein, bevor die neuen Konsolen von Microsoft und Sony auf den Markt kommen. Dabei beklagte eine große Anzahl der Mitarbeiter, dass ein so umfangreiches Spiel, mit einer so lebendigen Stadt und einer solchen gewaltigen Grafik, unmöglich auf den alten Konsolen perfekt läuft.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer machte das Management dem Team, als es den Release von Cyberpunk 2077 auf April 2020 verschieben. Doch dann kam eine neue Problematik ins Spiel: Covid-19. Nachdem die Corona-Pandemie im März langsam auf ihren Höhepunkt zu lief, mussten Entwicklerteams zu Hause arbeiten, ohne dabei Zugriff auf die Konsolen-Devkits zu haben. Dadurch kam es zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Performance, die durch externe Tests ein klares Bild von deutlichen Performance-Problemen zeigten. Die Corona-Situation gab dem Studio einen erneuten Anlass, das Spiel bis in den November zu verschieben.
Auch der Goldstatus vom Spiel gab Grund zur Sorge. Noch immer sind große Fehler vorhanden und die ohnehin schon völlig erschöpften Mitarbeiter versuchten das Spiel vom Crashkurs auf die richtige Bahn zu lenken. Eine Aufgabe der Unmöglichkeit. Am 10. Dezember dann das, was für einen großen Teil der Mitarbeiter vom polnischen Entwicklerstudio bereits klar war: das Spiel kommt unfertig auf den Markt und ist bis heute mit negativen User-Ratings überschattet.
Auch wenn viele der grafischen Fehler behoben werden können, ist es unklar, ob Cyberpunk 2077 jemals wieder im Playstation-Store angeboten wird. Ein Blick in die Vergangenheit beweist deutlich, dass ein desaströser Start nicht unbedingt das Ende von einem Spiel bedeutet. Durch gute Patch-Arbeit und insbesondere tolle DLC’s bin ich fest davon überzeugt, dass CD Projekt ein Revive erlebt. Einige dieser Anschuldigungen empfinde ich als richtig, einige kann ich aber auch nicht wirklich nachvollziehen. Zum Beispiel wurde kritisiert, dass die Engine zeitgleich mit dem Spiel entwickelt wurde. Doch der Vorteil davon liegt ganz klar darin, dass man Features die einem im Laufe der Arbeiten noch einfallen, relativ spontan ergänzen kann. Und es ist in meinen Augen auch immer besser eine eigene Engine zu besitzen, weil man sich so weniger Abhängig macht und darüber hinaus viel bessere Möglichkeiten hat.
Warum das Spiel letztlich in einem unfertigen Zustand erschienen ist, wissen nur die hochrangigen Mangager. Waren es Geldprobleme? War es Profitgier, das Spiel schnell raus zu hauen, während der Hype noch hoch genug ist? War es einfach die Dummheit von Aktionären, die zu viel Stimmrecht haben oder war es einfach Inkompetenz? Man muss bedenken, dass CD Projekt nun eine neue Marke hat, die langfristig Geld verdient. Neue Patches und Inhalte kommen, um das Spiel am Leben zu erhalten. Auch wenn ich mich vom Start des Spiels etwas blenden gelassen habe, bin ich noch immer zuversichtlich, dass sich das Unternehmen von diesem Schlamassel erholt.
Fans sind berechtigterweise frustriert, Privatanleger und Aktionäre haben Geld verloren und dennoch muss man sich immer vor Augen führen: das Management, also die Hauptaktionäre, haben sich damit selbst ins eigene Bein geschossen. Ich denke nicht, dass es sich hierbei um einen Betrug handelt, weil man eben nicht betrügt, um eigenes Geld zu verlieren. Das Projekt war etwas komplett neues und es ist nicht immer einfach ein Projekt zu überblicken. Es ist auch nicht einfach, die Signale aus dem eigenen Unternehmen und der Mitarbeiter ernstzunehmen, weil man als Chef niemals sicher sein kann, welche Absichten die eigenen Entwickler haben.
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