Der Twitch-Leak hat dafür gesorgt, dass wohl kaum ein Thema aktuell so präsent in den sozialen Netzwerken ist wie der Verdienst der Top-Streamer. Doch nicht nur auf Twitch oder in den sozialen Netzwerken, sondern auch in unserer Gesellschaft und sogar in der Politik ist dieses Thema längst kein unbekanntes mehr. Anscheinend gibt es einen beachtlichen Teil von Menschen, die es unfair finden, wenn ein Fußballprofi oder ein Manager um ein vielfaches mehr im Jahr verdienen als normale Angestellt oder gesellschaftlich wichtige Jobs wie Ärzte oder Krankenschwestern. Es gibt in dieser Debatte für mich zwei Standpunkte, die meine Aufmerksamkeit besonders erregen. Die erste ist, wenn eine Person sagt, dass Streaming kein richtiger Beruf ist und es unfair ist, dass die Streamerinnen und Streamer mehr verdienen als richtige Jobs wie die Arbeit der Krankenschwester, der Kindergärtnerin oder des Arztes. Auf der anderen Seite gibt es die Streamer die in einer guten Position sind und jegliche Kritik und Übertreibung anderer Stimmen direkt als „ihr seid doch alle nur neidisch“ abstempeln. Das alles ist ein wenig komplexer und ich versuche das mal aus meiner Sicht ein wenig zu erklären: Ein Kommentar.
Themen wie Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit oder die Love is Love-Debatte liegen meistens nahe beieinander. Und diese Themen werden wohl so stark wie keine anderen in der Streaming-Landschaft so einseitig – fast schon – propagiert, wie kein zweites. Es ist schon eine Art Ironie des Schicksals, dass die Streamer, die auf dem moralischen High Ground sitzen, sich nun gegen die Argumente wehren müssen, die sie teilweise selbst anprangern.
Ich finde es auch nicht gut, dass ein unlustiger Streamer der seine Art on air völlig verstellt mehr Zuschauer hat als jemand, der hochwertigen und lehrreichen Content bietet. Doch, dass die Menschen sich lieber verdummen lassen ist kein neues Phänomen. Schon N24 und Arte haben weniger Zuschauer als RTL und das sagt doch schon eigentlich alles aus. Ich kann mich davon aber nicht frei sprechen, schließlich gucke ich selbst Streams, die der reinen Unterhaltung dienen. Wenn die Menschen sich lieber diesen Content geben wollen, ist das ihre freie Entscheidung und sollte von unserem demokratischen Verständnis akzeptiert werden.
Schon öfters habe ich auf meinem Blog erwähnt, dass der Kapitalismus im Endeffekt die beste Demokratie ist, die es gibt. Gucken 100 Zuschauer einen Streamer und spendet regelmäßig Geld, kann er existieren. Gucken 1000 Zuschauer einen Streamer und spenden nichts, kann er dank der Twitch Einnahmen existieren. Gucken 50 Zuschauer einen Streamer und spenden regelmäßig mehr Geld als im ersten Fall, kann er existieren. Und wenn ein Streamer jeden Tag 5 Zuschauer hat, die kein Geld spenden und er damit auch den Partnerstatus nicht erreicht hat, kann er eben nicht dadurch existieren – außer er hat natürlich privat genug vorgesorgt.
Auf Twitch kann man also nur existieren, wenn man eine gewisse Anzahl von Menschen davon überzeugt, zu spenden oder wenn man seinen Content so gut macht, dass eine gewisse Anzahl Menschen freiwillig wieder kommen und ihn konsumieren. Genau hier liegt der Hund begraben. Es ist wie mit den Manager-Gehältern. Eine große Menge von Menschen beschweren sich darüber, dass ein Manager deutlich mehr Geld verdient als normale Angestellte. Dabei bedenkt niemand, dass ein Manager eine Tätigkeit ausübt, die nicht im Ansatz von einem gewöhnlichen Angestellten ausgeführt werden kann. Von 1000 Angestellten wird wohl niemand anderes so gut und erfolgreich auf diesem Posten sein, wie eben der Manager selbst. Ich denke nicht, dass eine Reinigungskraft – ohne diesen Personengruppen zu nahe treten zu wollen – in der Lage ist, ein Unternehmen zu führen. Wenn doch, kann sie sich selbstständig machen und es beweisen. Ähnlich ist das mit dem Streaming.
Wenn es einfach wäre, dann würden viel mehr Menschen von ihrer Tätigkeit als Streamer leben können. Fakt ist jedoch, dass nur eine absolute Minderheit auf Twitch ein wirklich gutes Einkommen durch diese Tätigkeit verdient. Nur rund 24.000 Streamer schaffen es im Schnitt mind. 100 Zuschauer zu haben. Wer im Schnitt 20 Zuschauer hat, gehört bereits zu den 5 Prozent der Top-Streamer – gemessen an Zuschauerzahlen. Und in dieser Größenordnung verdient man nicht mal im Ansatz 10 Euro pro Stunde. 1,5 Millionen Streamer streamen vor einem bis keinem Zuschauer.
The #twitchleak is the top 10000 streamers. According to Google, Twitch has 9.2 million monthly active streamers. So the top 10000, is not just the top 1%, but the top 0.1%
And 25% of that top 0.1% do NOT make minimum wage pic.twitter.com/9KeFK5PBZQ
— Rip (@reepal) October 6, 2021
Auch hier greift wieder das Manager-Beispiel. Menschen bedenken nicht, dass es eben gewisse Qualifikationen bedarf, um diesen Job auszuüben. Wenn das nicht so wäre, dann würde vermutlich auch jeder mit dem Streaming durchstarten können und gleichzeitig eine Konkurrenz für die anderen Streamer darstellen. Aber es ist eben nicht einfach mal die richtigen Settings zu finden, einen High-End-Rechner zu kaufen, das Spiel was im Hype ist herunterzuladen und zu spielen! Wenn du der Meinung bist: dann mache es!
Das System ist doch ganz einfach und ich weiß wirklich nicht, was es da zu diskutieren gibt. Man bekommt das, was man verdient. Eine große Menge von Zuschauern sind offenbar bereit den Streamerinnen und Streamern Geld zu spenden und oder Adblock auf den Streams auszuschalten, weshalb der Streamer dadurch unterstützt wird. Ich für meinen Teil denke mir zwar schon immer, wie man einen Streamer, der längst von den Twitch-Werbeeinnahmen und oder dem Sponsoring-Geld seiner Partner leben kann, mit Spenden unterstützt, aber das ist nicht meine Sache.
Wenn du der Meinung bist, dass ein Streamer nicht 100.000 Euro verdienen darf, sondern lediglich 20.000, weil seine Arbeit weniger wert ist als die eines Bäckers, eines Krankenpflegers oder einer Hebamme, dann verdiene doch selbst 100.000, bezahle 50 Prozent Steuern und spende diese 30.000 dann einer Person, die deiner Meinung nach mehr Geld für ihre Tätigkeit verdient hat.
Das Leben ist unfair, das ist eine Erkenntnis, die man vermutlich bereits im Kindesalter begreifen muss. Doch was ist fair und was nicht? Jeder hat doch komplett andere Vorstellungen davon was nun fair ist und was nicht, weshalb es doch keinen Sinn ergibt die Realität zu leugnen oder die Realität zu verändern. Wenn die Mehrheit es unfair findet, dass ein Fußballprofi im Jahr 10 Millionen verdient, dann sollte sie aufhören sich darüber zu beschweren und endlich damit anfangen die Vereine, die diese Summen bereit sind zu bezahlen, mit Ticketeinkäufen und Fernsehübertragungen zu unterstützen. Gleiches gilt eben für Twitch-Streamer.
Und nein, ein Streamer schafft nicht so vielen Wert für eine Gesellschaft wie beispielsweise ein anderer Mensch, welcher im Gesundheitswesen arbeitet oder ein Feuerwehrmann, welcher sein Leben für andere Menschen in Gefahr bringt. Trotzdem wollen auch diese Menschen unterhalten werden und geben dafür eben entsprechend Geld aus. Solange ein Streamer nicht mit Steuergeldern durchgefüttert wird, sondern jeder sein privates Geld investiert, gibt es doch kein Grund verbittert zu sein. Jeder kann doch Geld für das ausgeben, was er selbst persönlich mag. Im Fußballstadion zum Beispiel sieht man Feuerwehrleute, Manager und einfache Facharbeiter. Jeder möchte unterhalten werden und diese Unterhaltung bietet eben der Fußball-Star, der Streamer, die Streamerin oder die High Society auf Hollywood.
Unter twitchpayouts kann jeder seinen Lieblings Streamer eintragen und einsehen, wie viel er in den letzten Jahren verdient hat!
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