Das Thema rund um den Ausstieg von Großbritannien aus der EU hat ein Beben in der Politik, in Deutschland und in der gesamten Europäischen Union ausgelöst. Auch auf die Gaming-Branche hat dieses historische Ereignis einige Risiken, gleichzeitig auch Chancen hervorgebracht, auf die ich gerne genauer eingehen möchte. Ich werde hier meine persönlichen Eindrücke schildern und aus der Sicht eines Anlegers schreiben. Dass wir Spieler natürlich in erster Linie gute Spiele spielen möchten und dabei egal ist, ob sie nun aus Polen, China oder Deutschland kommen ist natürlich logisch. Ich werde mich jedoch auf den Wirtschaftsraum Großbritannien und die dort ansässige Videospiel-Industrie fokussieren.
Die erste gute Sache ist, dass durch den Brexit Steuervereinfachungen für die Gaming-Branche erlassen wurden. Die sog. Video Games Tax Relief (VGTR) bietet den Spieleentwicklern Steuererleichterungen in Bezug auf die Ausgaben für Design, das Entwickeln und das Testen neuer Videospiele. Laut der Regierung soll diese auch weiterhin beibehalten werden, obwohl man nicht mehr Mitglied in der EU ist.
Ich denke, dass diese Steuervereinfachungen auch ein Grund dafür ist, dass sich immer mehr – vor allem Indie-Studios – in Großbritannien niederlassen bzw. immer mehr Studios aus diesem Raum auf Steam große Erfolge verzeichnen können. Hello Games oder White Paper Games sind gute Beispiele dafür. Ebenso spricht für diese Regelung, dass alte Urgesteine aus früheren Tagen einen zweiten Frühling erleben. So steht Team17 beispielsweise besser da als nie zuvor, nachdem es über Jahre eher ruhig um das Studio und den Publisher geworden ist. Auch Frontier Development hat einige kleinere Erfolge in den letzten Jahren verzeichnen können. Bei meinen Analysen zu TinyBuild ist mir ebenso aufgefallen, dass dieses Studio zwar in den USA ansässig ist, jedoch an der Börse in London gelistet ist – auch das könnte dafür sprechen, dass sie dadurch Steuervorteile erhalten.
Doch was passiert, wenn der Staat morgen bekannt gibt, dass es keine Vorteile mehr für Entwicklerstudios geben wird? Genau diese Angst geht rum und aus diesem Grund sind bereits massenhaft Risikokapitalgeber aktiv geworden und kaufen sich große Anteile an kleinen Techfirmen im vereinten Königreich. Nirgendwo sonst in Europa wird mehr Wagniskapital investiert als in Großbritannien.
Laut Jas Purewal, Gründer von Purewal and Partners – einer Firma für Gesetze in der Gaming-Industrie – sagt beispielsweise, dass aufgrund der Brexit-Unsicherheit zwei größere Börsengänge von Entwicklerstudios nicht zustande gekommen sind bzw. durch den Brexit massiv erschwert wurden. Das Problem ist – wie überall auf der Welt – dass im Grunde die Politik nicht immer die richtigen Entscheidungen trifft und wenn die Politik verkennt, welches Potenzial die Gaming-Industrie für das eigene Land haben kann, dann sehe ich schwarz. Es ist im Grunde – wie immer wen man in Branchen investiert, die vom Staat gefördert werden – ein enormes Risiko für den Anleger. Natürlich sind aber auch die Entwicklerstudios nicht auf den Kopf gefallen und werden rechtzeitig handeln, sollte sich der Standort oder andere Aspekte sich als unvorteilhaft erweisen. Anders als in China können Unternehmen das, ohne eine existenzielle Krise zu fürchten.
Auch sind Zölle ein großes Thema. Durch Handelsabkommen unter den EU-Staaten wurden Zölle abgeschafft und der Warenverkehr deutlich vereinfacht. Wenn die EU und Großbritannien kein Handelsabkommen eingehen, könnten Produkte wie Merchandise, physische CDs, Konsolen oder Computer-Teile extrem im Wert steigen. Aber auch das halte ich für keine langfristige Problematik.
Argumente, die klar gegen den Brexit – zumindest aus Sicht der Gaming-Industrie – sprechen, weisen dort ansässige hohe Posten der Branche auf. Mehr als 1000 Mitglieder der britischen Videospielindustrie haben mit ihrer Initiative Games4EU einen offenen Brief an die Regierung verfasst. Gefordert wird hierbei eine weitere Volksabstimmung, mit der Option in der EU zu bleiben. Dieser Brief wurde von 127 Unternehmen und 1300 Personen unterzeichnet und darunter sind einige Urgesteine der Gaming-Industrie dabei. Fable-Schöpfer Peter Molyneux, Branchenveteran Ian Livingstone, Tomb Raider-Autorin Rhianna Pratchett, Broken Sword-Schöpfer Charles Cecil, Indie-Ikone Mike Bithell, Monument Valley-Schöpfer Dan Gray sowie King-CEO Riccardo Zacconi und CCP-CEO Hilmar Pétursson. Angesprochen werden die Sorgen, dass es Schwierigkeiten beim Einstellen von Talenten geben wird, Verbraucherrechte eingeschränkt werden und sich die weltoffene Branche kulturell verschlechtert.
In der gesamten Brexit-Debatte werden viele Dinge nicht beachtet, die England auszeichnet. Zunächst ist England das Land mit einem der höchsten BIPs pro Kopf in Europa und schneidet sogar fast so gut ab wie Deutschland. Ebenso ist kaum ein Land so attraktiv wie Großbritannien, wenn es darum geht, Arbeitskräfte anzuziehen, sie auszubilden, sie zu schulen. Die Universitäten aus London, Cambridge oder Oxford gehören zu den beliebtesten und besten in der gesamten Welt. Ebenso hat England so viel Geld wie kein anderes Land in Europa in die Technologiebranche investiert.
Eins sollte klar sein: Das vereinte Königreich möchte mit kleinen Steuersätzen und anderen Benefits Unternehmen anlocken, damit sie sich in England ansiedeln. Es wäre also äußerst fragwürdig, wenn sie dann im gleichen Atemzug die Unternehmen, die sich aufgrund dieser Punkte in England ansiedeln, wiederum mit solchen Entscheidungen vergraulen würden. Ich bin deshalb überzeugt, dass die Steuerbegünstigungen für die Studios weiterhin Bestand haben.
Ich selbst bin ein Befürworter des Brexit und denke, dass das Land und die ansässige Gaming-Industrie in richtigen Händen massiv davon profitiert. Sollte man England zu einem freieren und wirtschaftlich liberalerem Land machen, bin ich guter Dinge. Sollte man England zurück in den Sozialismus gehen, sehe ich schwarz für das Land und die gesamte Gaming-Industrie. Ich mache mich nicht ungern von politischen Entscheidungen abhängig, doch denke ich, dass die Regierung mit dem Brexit richtig gehandelt hat. Im Endeffekt werden wir diese Entscheidung jedoch erst in einigen Jahren als gut oder schlecht einschätzen können. Es steht Aussage gegen Aussage. Einige Branchenkenner gehen davon aus, dass es für die Videospielbranche schlecht ausgehen wird, während andere Ökonomen ebenso behaupten, dass der Brexit etwas Gutes für die eigene Wirtschaft darstellt. Am Ende bleibt uns nichts anderes übrig als ruhig zu sein und Tee zu trinken.
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