Nachdem ich bereits ein ausführliches Review über die erste Pokemon-Generation geschrieben habe, möchte ich mich der nachfolgenden Generation widmen und meine Reise nach Johto Revue passieren lassen.
Als zur Jahrtausendwende Pokémon bereits auf dem Zenit seiner Popularität stand, waren die Erwartungen an die Fortsetzung enorm. Pokémon Gold und Silber sollten nicht nur an den unfassbaren Erfolg von Rot und Blau anschließen, sondern das frisch etablierte Franchise weiter an die Spitze treiben.
Mit neuen Regionen, Pokémon, Mechaniken und einer überarbeiteten technischen Basis erfüllten sie diese Aufgabe beeindruckend – auch wenn die beiden Editionen, vor allem aus heutiger Sicht, einige gravierende Mängel und fragwürdige Designentscheidungen aufwiesen.
In Europa erschienen Pokémon Gold und Silber am 6. April 2001 und führten die Spieler erstmals in die neue Johto-Region.
Eine der bemerkenswertesten Geschichten rund um Pokémon Gold und Silber betrifft die berühmte Rückkehr in die Kanto-Region – ein Feature, das viele Fans bis heute als eines der größten Highlights der zweiten Generation feiern. Dabei war dieses Postgame-Gebiet ursprünglich gar nicht geplant bzw. schlicht nicht möglich.
Der Game Boy hatte nur begrenzten Speicher, und schon die neue Region Johto samt aller Neuerungen wie dem Tag-Nacht-Zyklus, der Zuchtmechanik und 100 neuen Pokémon forderte die Hardware bis an ihre Grenzen.
Doch hier kommt eine beeindruckende Wendung: Um Platz für Kanto zu schaffen, wurde der Code des Spiels massiv optimiert. Einer der Schlüsselpersonen in dieser Phase war neben Shigeki Morimoto (der unter anderem für das legendäre Mew in der ersten Generation bekannt war), niemand geringeres als Satoru Iwata himself.
Ihm gelang es, große Teile des Codes effizienter zu gestalten, sodass letztlich genug Speicher freigeräumt werden konnte, um ganz Kanto zusätzlich ins Spiel zu integrieren.
Diese technische Meisterleistung verlieh Gold und Silber nicht nur eine unglaubliche Spieltiefe, sondern setzte auch ein Zeichen dafür, was mit kreativer Programmierung selbst auf limitierten Systemen möglich war. Die nahtlose Verbindung zweier kompletter Regionen war damals einmalig und bleibt bis heute ein Meilenstein der Videospielgeschichte.
Die Johto-Region und ihre Pokemon Designs
Mit 100 neuen Pokémon bietet die zweite Generation nicht nur Quantität, sondern auch hohe Qualität. Viele Designs sind inspiriert von japanischer Folklore (z. B. Sniebel vom Kamaitachi, Natu vom Kakapo) oder naturwissenschaftlichen Konzepten wie Evolution und Zeit (etwa Larvitar und Keifel).
Die drei legendären Hunde, Ho-Oh als Phönix, Lugia – vermutlich an den japanischen Drachenkönig Ryūjin angelehnt – sowie Celebi, das einem sogenannten Wald-Yōkai ähnelt und über einen Schrein im Wald gerufen werden kann, unterstreichen die mystische Atmosphäre der Johto-Region.
Hinzu kommen Orte wie die Alph-Ruinen mit den mysteriösen Icognitos oder der Drachenschrein, die einem Schauplätze voller Geheimnisse und Symbolik bieten. Neue Entwicklungen für bekannte Pokémon wie Scherox oder Stahlos hauchen älteren Designs neues Leben ein.
Dank des neu eingeführten Tag- und Wochensystems in Pokémon Gold, Silber und Kristall bietet Johto eine Vielzahl zeitgebundener Ereignisse, die das Spielerlebnis abwechslungsreicher und lebendiger gestalten, zum Beispiel dass je nach Tageszeit verschiedene Encounter stattfinden. So hat beispielsweise montags der Juwelier im Untergrund geöffnet, während man nachts auf dem Mondberg zwei tanzende Piepi antreffen kann, ein Event, das sogar mit einem Mondstein belohnt wird.
Ebenfalls montags legt die M.S. Aqua von Oliviana City nach Orania City ab. Das beliebte Käferturnier findet dienstags, donnerstags und samstags im Nationalpark statt, und an denselben Tagen öffnet der Friseur im Untergrund seine Türen.
Jeden Freitag erscheint außerdem ein seltenes Lapras in der Einheitshöhle, und freitags sowie sonntags hat auch der Kräuterladen im Untergrund geöffnet.
Zusätzlich erhält man je nach Wochentag von verschiedenen Charakteren auf unterschiedlichen Routen exklusive Items wie das Rosa Band, den Schwarzgurt, Granitstein, Giftstich oder Magneten.
Diese Vielzahl an kleinen, aber bedeutsamen Ereignissen macht jede Woche in Johto einzigartig und belohnt aufmerksame Trainer mit besonderen Items, Kämpfen und Begegnungen.
Auch im Design setzt die zweite Generation ideal fort, was schon in der ersten funktionierte: Pokémon mit durchdachtem Stil und hohem Wiedererkennungswert. Ich liebe die Designs der zweiten Generation – sie alle haben einen eigenen Charme, sind für sich genommen einzigartig und fügen sich dennoch stimmig in das Gesamtbild ein.

Mechanische Innovationen
Pokémon Gold, Silber und Kristall erweiterten das Pokémon-Universum entscheidend und führten eine Reihe tiefgreifender Spielmechaniken ein, die das Spielerlebnis strategischer und lebendiger machten und ohne die heute kein Spiel der Reihe mehr funktionieren würde.
Mit der Einführung der Pokémon-Zucht konnten Trainer gezielt Pokémon-Eier erzeugen. Dadurch wurde die Vererbung von Attacken möglich und das Ausbrüten bestimmter Arten gezielt steuerbar. Dieses System war eng verknüpft mit einer weiteren großen Neuerung: dem Geschlechtersystem.
Erstmals besaßen viele Pokémon ein festes männliches oder weibliches Geschlecht, was relevant für die Zucht, aber auch für neue Kampfstrategien war. Attacken wie „Anziehung“ wirkten beispielsweise nur auf Pokémon des jeweils anderen Geschlechts.
Einige Pokémon blieben dabei geschlechtslos (z. B. Porygon), während andere erstmals als klar unterscheidbare Geschlechtsvarianten auftraten. Ergänzt wurde dieses System durch die Freundschaftsmechanik, die für bestimmte Entwicklungen etwa Zubat zu Iksbat oder Evoli zu Psiana bzw. Nachtara – entscheidend war.
Ein weiteres neues Feature war das Tragen von Items: Pokémon konnten nun Beeren zur Selbstheilung oder verstärkende Gegenstände wie das Kohlenstoffband oder Seidenschal-Äquivalente mitführen – ein Meilenstein für das strategische Kampfsystem.
Ebenfalls neu war das Aprikoko-System: Der Handwerker Kurt in Azalea City stellte aus gesammelten Aprikokos individuelle Pokébälle her, etwa den Turboball oder Schwerball, jeder mit besonderen Effekten, passend zu spezifischen Situationen.
Eine der größten Designleistungen der zweiten Generation war die überarbeitete Balance der Typen. Nach der Dominanz von Psycho-Pokémon in Generation 1 sorgten die neu eingeführten Typen Unlicht und Stahl für mehr Ausgewogenheit.
Zudem wurde der vorher einheitliche Spezialwert aufgeteilt in Spezial-Angriff und Spezial-Verteidigung, was das Kampfsystem nachhaltig veränderte. Der gesamte Typenkreis wurde feinjustier was sich zwar als ein stilles, aber wirkungsvolles Meisterstück des Game-Designs herausgstellen sollte.
Ein zentraler technischer Fortschritt war der PokéCom (bzw. PokéGear): ein multifunktionales Gerät, das Uhrzeit, Weltkarte, Telefonbuch und Radio vereinte. Das integrierte Radiosystem ermöglichte nicht nur Musik und Informationen, sondern auch spezielle Ereignisse, beispielsweise die Übernahme des Radioturms durch Team Rocket.
Und schließlich wurde mit der zweiten Generation auch ein heute legendäres Phänomen eingeführt: die Shiny-Pokémon. Diese extrem seltenen, farblich abweichenden Pokémon hatten eine Auftauchwahrscheinlichkeit von 1:8192. Das Spiel stellte sie dem Spieler gezielt durch das rote Garados im See des Zorns vor. Die Shiny-Mechanik entwickelte sich in den Folgejahren zu einem echten Kult unter Fans und Sammlern.
Ein oft unterschätztes, aber beliebtes Feature war die Möglichkeit, mithilfe der Attacke Kopfnuss (Headbutt) auf bestimmte Bäume zu schlagen. Dadurch konnten wilde Pokémon aus den Baumwipfeln fallen. Ein einfaches, aber cleveres System, das die Welt dynamischer und lebendiger erscheinen ließ.
Besonders spannend: Unterschiedliche Bäume beherbergten unterschiedliche Pokémon-Arten, was zum Experimentieren einlud. Auch wenn dieses Feature in späteren Generationen nicht in gleicher Form zurückkehrte, bleibt es vielen Spielern als nostalgisches Highlight aus Gold, Silber und Kristall in Erinnerung.
All diese Neuerungen machten die zweite Generation nicht nur zu einem Nachfolger, sondern zu einem technischen und inhaltlichen Quantensprung innerhalb der Serie. Viele spätere Spiele bauten auf diesen Grundpfeilern auf – weshalb mit Generation 2, meiner Meinung nach, die wahre Pokémon-Formel begann.

Die Fehler und Schwachstellen der zweiten Generation
Kommen wir nun zu den Kritikpunkten, die es in der zweiten Generation meiner Meinung nach zur Genüge gibt. Oftmals bewertet man die Spiele durch die Nostalgiebrille. Dennoch sollte man die Schwächen dieser Editionen klar und ehrlich benennen.
Ein zentraler Punkt ist das Design der Arenaleiter und die unausgewogene Levelkurve. Es fällt direkt auf, dass viele Arenaleiter kaum Pokémon aus der neuen Johto-Region einsetzen. Ein Beispiel dafür ist Falk, der erste Arenaleiter. Er nutzt ein Taubsi und ein Tauboga, obwohl sich Hoothoot und Noctuh als regionale Alternativen viel besser angeboten hätten.
Auch Kai, der Käfer-Arenaleiter, ist zwar mit seinem Sichlor stark aufgestellt, doch sein gesamtes Team besteht ausschließlich aus Pokémon der ersten Generation. Hier wäre ein Ledian eine sinnvolle Ergänzung gewesen.
Biankas Miltank ist legendär und gefürchtet, das steht außer Frage. Dennoch stellt sich mir die Frage, warum ihr Team nur aus diesem Aushängeschild besteht. Ein Snubbull oder Teddiursa hätte für mehr Abwechslung gesorgt.
Bei Jens, dem Geister-Arenaleiter, fehlt ausgerechnet Traunfugil, das als ikonisches Johto-Geist-Pokémon eigentlich Pflicht gewesen wäre. Und Hartwig, der Leiter der fünften Arena mit dem Kampftyp, verzichtet völlig auf ein Skaraborn, obwohl dieses perfekt gepasst hätte.
Hinzu kommt, dass viele Arenaleiter nur zwei Pokémon einsetzen, sogar in der fünften Arena. Das wirkt einfach enttäuschend. Insgesamt wirken die Arenaleiter unausgereift und etwas halbherzig designt.
Auch bei der Top Vier sieht es nicht wesentlich besser aus. Zwar sind hier mehr Johto-Pokémon vertreten, doch auch hier fällt die unausgeglichene Levelkurve negativ auf. Siegfried, der Champ, setzt als Ace ein Dragoran auf Level 50 ein.
Zum Vergleich: In der ersten Generation kämpft Giovanni bereits mit einem Rizeros auf diesem Level. Das sorgt für ein unausgewogenes Fortschrittsgefühl und nimmt dem Finale etwas von seiner Wucht.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die schwache Verfügbarkeit vieler Pokémon. Einige Johto-Pokémon erscheinen erst im Postgame, was der Teamvielfalt massiv schadet. Kramurx oder Hunduster sind beispielsweise erst in Kanto, also nach der Top Vier, fangbar.
Auch Pokémon wie Arkani oder Vulnona sind im regulären Spielverlauf schwer zu finden. Das schränkt die Möglichkeiten zur Teamgestaltung stark ein und widerspricht dem Ziel, die neue Region mit frischen Pokémon zu entdecken und zu erleben.
Und wenn wir schon bei Kanto sind: Dieser Aspekt ist Fluch und Segen zugleich. Es ist verdammt genial und episch, dass man nach Kanto zurückkehren und dort noch einmal alle Arenaleiter herausfordern kann. Trotzdem fühlt es sich weder wirklich herausfordernd noch besonders lohnenswert an, diese Region erneut zu bereisen.
Schaut man sich die gängigen Kritikpunkte zur zweiten Generation an, stößt man immer wieder auf denselben Kern: der Rivale Silber, überflüssige TMs wie Whirlpool oder Kaskade, die das Teamdesign spürbar einschränken; und ein Champ wie Siegfried, der vielen Spielern zu wenig Herausforderung bietet.
An dieser Stelle möchte ich jedoch betonen, dass es in nahezu jeder Generation Rivalen mit wenig Charaktertiefe gibt. Auch die Problematik mit den VM-Pflichtattacken, die das Teambuilding behindern, zieht sich durch viele Titel der Reihe.
Und was Siegfried betrifft: Ich persönlich finde ihn keineswegs schlecht. Im Gegenteil – ich mag seine drei Dragorans als wiedererkennbares Markenzeichen. Auch sein restliches Team mit Glurak, Aerodactyl und Garados gefällt mir gut, selbst wenn nicht alle dieser Pokémon zum Drachentyp gehören.
Die Pokémon-Liga gefällt mir von der Zusammenstellung der Trainer, Typen und Teams sehr gut, meine Kritik bezieht sich eher auf deren Schwäche, wie auch die Arenaleiter mit ihren wirklich fast schon peinlichen Teams.
Pokémon Crystal: Ein kleiner Patch aber keine Revolution
Mit Pokémon Kristall erschien eine erweiterte Version von Gold und Silber, die zahlreiche Verbesserungen und kleinere Neuerungen mit sich brachte. Erstmals in der Geschichte der Reihe konnten Spieler zwischen einem Jungen und einem Mädchen als spielbare Figur wählen – ein bedeutender Schritt hin zu mehr Individualisierung.
Auch Suicune rückte stärker in den Mittelpunkt der Handlung und erhielt eine eigene, kleine Storyline. Die Icognito-Rätsel wurden überarbeitet, und das neue Kuriose Ei konnte ein zufälliges Pokémon enthalten, was dem Spielstart zusätzliche Spannung verlieh.
Auf technischer Ebene bot Kristall mehrere Detailverbesserungen. So speichert das Spiel nun den Ort und Zeitpunkt, an dem ein Pokémon gefangen wurde. Diese Informationen sind bei einer Dame in Anemonia City abrufbar. Zudem wurden kleine Bewegungsanimationen für alle Pokémon eingeführt, was den Kämpfen mehr Lebendigkeit verlieh.
Auch spielmechanisch wurde hier und da nachgebessert. Einige Pokémon erhielten neue Attacken, andere wurden an andere Fundorte verlegt. Zusätzlich wurden manche Attackentypen feinjustiert.
Eine größere Neuerung war ein Turm westlich von Oliviana City, in dem man wiederholt gegen Trainer antreten und dabei seltene Items gewinnen konnte. Dieses Feature gilt als früher Vorläufer des später eingeführten Kampf-Turms bzw. der Kampfzone in Smaragd.
Darüber hinaus gab es neue Radiosendungen, leichte grafische Verbesserungen sowie eine praktische Anzeige von Ortsnamen beim Betreten und Verlassen von Städten oder Routen.
Pokémon Kristall gilt in vielerlei Hinsicht als die definitive Version der zweiten Generation. Gleichzeitig markierte es jedoch den Beginn eines bis heute umstrittenen Trends: nahezu identische Spiele in überarbeiteter Form zum Vollpreis erneut zu veröffentlichen.
Als zweite Generation ein netter Abschluss, aber viel mehr als ein kleiner grafischer Patch ist diese Edition nicht.

Fazit: Ein gereifter Nachfolger mit kleinen Makeln
Auch wenn mein Fazit und meine Kritik weiter oben recht harsch ausfallen, möchte ich an dieser Stelle betonen, dass diese Spiele absolut legendär und ikonisch sind. Sie übertreffen die erste Generation in vielerlei Hinsicht deutlich. Betrachtet man sie aus heutiger Perspektive, wirken sie vielleicht nicht perfekt, und ihre Schwächen sind klar erkennbar.
Wenn man sich jedoch in die damalige Zeit zurückversetzt (ohne die Nostalgie-Brille dabei zu tragen) und die Spiele im Kontext ihrer Veröffentlichung bewertet, wird deutlich, dass sie zu den besten Titeln gehörten, die der Markt damals zu bieten hatte.
Zwar profitieren sie stark vom Nostalgiefaktor, doch sie haben gleichzeitig einen überzeugenden und würdigen Nachfolger zur ersten Generation geschaffen. Schon in Generation 3 hatte ich den Eindruck, dass Rubin und Saphir inhaltlich bewusst reduziert wurden.
Es schien, als habe man Inhalte zurückgehalten, um später mit einer erweiterten Version das volle Potenzial auszuschöpfen und ein vollständigeres Spielerlebnis zu liefern. Dieser Eindruck wirkt nicht unbegründet, insbesondere wenn man Gold und Silber mit Kristall vergleicht.
Wenn man sich die neuen Spielmechaniken dieser Generation ansieht, zusammen mit den grafischen Verbesserungen in Kristall, erkennt man, wie entscheidend diese Spiele für die Entwicklung der Reihe waren. Sie haben den Grundstein für alle folgenden Generationen gelegt.
Die Gestaltung der Pokémon, die Oberwelt, das Worldbuilding, die Erzählweise, die Musik auf den Routen und in den Arenen – all diese Elemente tragen zu einem unverwechselbaren Charme bei, der die Schwächen dieser Generation bei weitem überstrahlt.
Ein Kommentar
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