Am 12. März 2020 ging das kleine Studio aus den USA an die Börse, um sein Wachstum ins Rollen zu bringen und durch neue Spiele und Zukäufe einen gewaltigen Expansionskurs anzustreben. Am 3. Oktober 2021 habe ich mir als Geburtstagsgeschenk Aktien von tinyBuild gekauft. Zwei Monate später, an Weihnachten, habe ich mir das zweite Mal tinyBuild-Aktien gekauft. Ich möchte die Gelegenheit und die aktuell miese Performance von diesem kleinen tollen Indie-Studio nutzen, um einen kleinen Rückblick bzw. einen Statusbericht zur Aktie zu geben und transparent aufzeigen, wie ich die Aktie heute betrachte. Wie immer handelt es sich hierbei weder um eine Anlageberatung noch um eine Kauf- und Verkaufsempfehlung!
Wie aus der Artikelüberschrift zu entnehmen ist, ist die Performance alles andere als gut oder schönzureden. Ich muss mir eingestehen, dass ich einfach rund 1500 Euro verbrannt habe. Aktuell sind meine 1.573,11 investierten Euros nur noch 356,95 Euro wert, was einem Verlust von mehr als 77 Prozent entspricht.
Das eingangs erwähnte Vorhaben – nämlich der massive Wachstumskurs durch fremdes Kapital – setzte tinyBuild schließlich in die Tat um. Das Unternehmen kaufte Studio, um Studio, um Studio, veröffentlichte mehr und mehr Titel und baute seine Marken massiv aus und zeigte schließlich sehr positive Ergebnisse vor. Besonders hervorragend war das Jahr 2021 für tinyBuild, weil sich trotz Krise, die Geschäftszahlen grandios entwickelten.
Und trotzdem: Seitdem die Aktie damals im März an die Börse ging, hat sich der Kurs schrecklich entwickelt. Lediglich 0,80 Cent ist der Kurs – der zum Tag des Börsengangs 2,36 Euro betrug – heute wert. Im Vergleich zum Höchstwert von 3,32 im April ist die Performance sogar noch mal schlechter. Was hat sich am Unternehmen verändert? Was hat für einen derart großen Abverkauf der Aktie gesorgt und wie bewertet man die Aktie zum aktuellen Zeitpunkt?
Ich denke, dass ein Unternehmen, welches eine höhere Marktkapitalisierung und demnach ein größeres Trade-Volumen besitzen würde, in Anbetracht dieser Zahlen im Wert massiv steigen würde. Ich denke nach wie vor, dass ich mit tinyBuild kein schlechtes Unternehmen gekauft habe, sondern allem Anschein nach der Einstiegszeitpunkt sehr unglücklich war. Für diese neue kleine Analyse zur tinyBuild-Aktie ziehe ich verschiedene Quellen heran, die aller zum Entschluss kommen: Die Aktie ist zum aktuellen Zeitpunkt massiv unterbewertet.
Die Bewertung der tinyBuild-Aktie
Am 13. Dezember 2022 erschien ein Artikel auf proactiveinvestors der einen Grund für den rapiden Abstieg des kleinen US-Studios ausführt. Demnach hat das Investmenthaus Liberum die Bewertung von tinyBuild von „buy“ auf „halten“ gesetzt, weil es besorgniserregende Zahlen nach der Veröffentlichung von Hello Neighbor 2 erkannt hat. Sie sagen, dass die ersten Kritiken zum Spiel von der Presse und Spielern schlechter als erwartet aufgenommen wurde und es für das Flagship des Unternehmens mehr als enttäuschend ist.
Trotz dieser Enttäuschung wurden die Prognosen für tinyBuild anderer großen Analysten nicht verändert, das Verhältnis von Risiko und Rendite sei auf kurze Sicht aber nicht mehr günstig. Die Bewertung und das Kursziel für die tinyBuild-Aktie lautet also nun nicht mehr 215 Pence, sondern 130 Pence. Statt 2,45 Euro lautet das neue Kursziel also 1,48 Euro. Trotzdem sagt das Analystenhaus aus, dass die Informationen zum Spiel begrenzt sind und es möglicherweise noch zu früh ist, um voreilige Schlüsse zu ziehen. Zum Zeitpunkt des Artikels ist der Kurs von tinyBuild bei 0,59 Eur, also noch mal deutlichst günstiger.
Am 22. Dezember kommt auf investorschronicle ein Artikel, der die günstige Bewertung von tinyBuild als nicht gerechtfertigt abstempelt. Hierbei wird erwähnt, dass der Gaming-Markt durch die Covid-Pandemie in den letzten Jahren massiv profitiert hat, das Wachstum jedoch nicht fortgesetzt werden konnte. Bereits 2021 verlangsamte sich das Wachstum im Gaming-Markt, was dafür sorgte, dass die Aktienkurse von Gaming-Unternehmen entsprechend unter die Räder kamen.
Auch tinyBuild ist daran natürlich nicht ungehindert vorbeigekommen. Seit seinem Höchststand im Mai 2021 ist der Kurs um 62 Prozent gesunken und wird zum Zeitpunkt des Artikels mit einem KGV von 13 gehandelt. Besonders bizarr: Trotz ständigen Anhebungen und guten Meldungen ist dieser Bewertungsrückgang eingetroffen. Die Investmentbank Peel Hunt aus Großbritannien sieht in diesem Kursfall eine gute Kaufgelegenheit. Denn tinyBuild hat gute Ergebnisse und keine schlechten Meldungen verbucht.
Investorschronicle bezieht sich auf den starken Backkatalog, das starke Wachstum im ersten Quartal (54 Prozent mehr Umsatz und 25 Prozent mehr Cash-Gewinn) und darauf, dass 99 Prozent der Umsätze aus dem eigenen Backkatalog stammt und das ohne neue große Veröffentlichung. Das organische Wachstum ist also on point. Alleine in der zweiten Hälfte 2022 wurden sechs neue Spiele veröffentlicht, während 30 neue in der Entwicklung sind. Peel Hunt schätzt, dass der Umsatz im Jahr 2023 um 32 Prozent steigen wird. Zudem sagt Peel Hunt aus, dass 80 Prozent aller tinyBuild-Spiele im Play Store von Google Höchstpunktzahlen erreichen und die Fünf-Sterne-Bewertung der Spiele seit 2016 stetig steigt.
In den letzten fünf Jahren hat sich tinyBuild vom Publishing-Geschäft wegbewegt und sich darauf fokussiert eigene Spiele bzw. eigenes geistiges Eigentum entwickelt. Das hat den Vorteil, dass keine Lizenzgebühren anfallen und dadurch die Marge verbessert wird. Mittlerweile macht eigenes geistiges Eigentum 83 Prozent des Umsatzes aus. In der ersten Hälfte von 2022 sankt die Cash-Profit-Marge um 9 Prozent auf 34 Prozent.
Das ist laut dem Investmenthaus auf die Übernahme von Red Cerberus zurückzuführen, Peel Hunt bleibt aber zuversichtlich, dass die Marge wieder auf 40 Prozent steigen wird, wenn tinyBuild 2023 eigene IP-Spiele veröffentlicht. Zudem ist das Risiko eines wirtschaftlich miserablen Releases deutlich gesunken. Während 2016 die drei größten Spiele von tinyBuild noch 63 Prozent des Umsatzes ausmachten, sind es heute nur noch 40 Prozent.
Auch wenn man faktisch festhalten muss, dass Hello Neighor 2 ein Flop für tinyBuild ist, hält Peel Hunt den darauffolgenden zweistelligen Abschlag für nicht gerechtfertigt. Wachstumsrate von über 50 Prozent, eine Marge von 30 Prozent und eine überragende Bilanz mit rund 42 Millionen Dollar Barmittel lassen das Unternehmen Start unterbewertet, für die Investmentgruppe erscheinen.
„Die Spielebranche profitierte und litt dann unter dem größten sozialen Experiment unserer Zeit, aber das Wachstum wird zurückkehren. Junge Menschen spielen Videospiele, und demografische Trends sind unvermeidlich. Es ist unwahrscheinlich, dass die Branche jemals wieder so billig sein wird wie heute, und TinyBuild ist ein verlockender Einstieg“, so investorschronicle über tinyBuild.
Oftmals ist es so, dass ein Unternehmen ohne schlechte Meldungen massiv im Kurs fällt. Vor allem bei kleinen Unternehmen wie tinyBuild ist das nicht unüblich. Dieses Phänomen fasst der Artikel von simplywall.st gut zusammen. Solange die Fundamentaldaten von einem Unternehmen stimmen, ist das eigentlich ein gutes Zeichen, da man nun womöglich ein Unternehmen zu einem deutlich günstigeren Preis kaufen kann.
Die Effizienz des Marktes ist manchmal eben doch nur eine Farce. Oftmals spiegeln die Aktienkurse nicht die zugrunde liegende Unternehmensstärke wider. Um das herauszufinden, kann eine Analyse zwischen dem Gewinn pro Aktie und dem Aktienkurs in Relation gesetzt werden. Denn der Gewinn je Aktie hat sich verbessert, während der Kurs massiv gefallen ist. Hinzu kommt, dass der Umsatz vom Studio ebenso gestiegen ist und genau das lässt die Möglichkeit offen, dass der Markt doch überreagiert hat.
Die Geschäftszahlen vom Jahr 2022
Am 28.03. 2023 hat das Unternehmen seine Finanzergebnisse zum Geschäftsjahr 2022 veröffentlicht, wodurch die Aktie am nächsten Tag um rund 11 Prozent nach oben schoss. Bereits einen Tag später fiel sie wieder um 5 Prozent. Wie sehen die Zahlen vom Unternehmen im Detail aus?
Marketscreener hat direkt einen Artikel veröffentlicht, in welchem es die Zahlen vom Jahr 2022 aufarbeitet. Das Studio hat demnach Umsatz und Gewinn steigern können, jedoch an Cash abgebaut. Der Vorsteuergewinn stieg um 27 Prozent, auf rund 16 Millionen US-Dollar. Der unverwässerte Gewinn pro Aktie stieg um 32 Prozent von 4,3 Cents auf 5,7 Cents. Der Umsatz stieg um 21 Prozent auf 63,3 Millionen Britsche Pfund. Der bereinigte Gewinn stieg um 10 Prozent auf 24 Millionen US-Dollar, konnte die Erwartungen von 24,9 Millionen US-Dollar damit aber nicht erreichen.
Alex Nichiporchik sagt: „Das vergangene Jahr war möglicherweise der härteste Test für unsere Strategie und hat gezeigt, wie wichtig es ist, in langfristige, nachhaltige Franchises und die Menschen dahinter zu investieren. Wir standen vor noch nie dagewesenen Herausforderungen, während wir gleichzeitig Akquisitionen in verschiedenen Regionen integrierten und zu einem dezentralisierten Ansatz übergingen, um das Unternehmen in einem größeren Maßstab agil zu halten“.
Weiter heißt es: „Unser breit gefächertes Spieleportfolio entwickelt sich weiterhin gut, da wir eine größere Vielfalt an Plattformen und Technologien nutzen. Unsere starke Leistung im Backkatalog unterstützt eine Beschleunigung der organischen Investitionen, während sich die Fusions- und Übernahmemultiplikatoren an das veränderte Umfeld anpassen. Schließlich sehen wir erste Anzeichen für den Erfolg unseres Cross-Media-Produkts, und wir werden weiterhin mit dem Ziel experimentieren, zusätzliche Einnahmequellen zu unserem Kerngeschäft hinzuzufügen“.
Die Aussichten für das Unternehmen sind bescheiden. Zwar soll die Pipeline für 2023 mit neuen Spielen und größeren Budgets ausgebaut werden, jedoch wird das auf Kosten der Nettoliquidität gehen. In der ersten Hälfte 2023 soll sich die Nettoliquidität verringern und erst in der zweiten Jahreshälfte auf 26,5 Millionen USD verbessern. Die Nettoliquidität lag am 31. Dezember bei 26,5 – zuvor 48,9 Mio. USD – und sank aufgrund von Investitionen in neue Videospiele, Updates und Konsolenversionen.
Der Vorstand gibt sich weiterhin zuversichtlich und sagt aus, dass das Unternehmen auf dem richtigen Weg ist, um den Erwartungen gerecht zu werden und weiterhin neue Unternehmen zu kaufen.
Mein Fazit
Niemand kann einen Verlust von über 80 Prozent – wie in meinem Fall – gut reden, ich würde aber lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mein Investment bereue. Denn tinyBuild ist noch immer genau das Unternehmen, in welches ich investiert habe und die Zahlen haben sich positiv entwickelt. Bin ich blind und sehe die roten Flaggen nicht? Lügt der CEO? Was genau haben andere Anleger für Informationen, die ich nicht besitze? Es gibt kein wirkliches Zahlen-Material und man muss sich blind auf die Aussagen von tinyBuild selbst verlassen und gehe davon aus, dass hier kein historischer Betrug à la Wirecard stattfindet. Sollte dem aber so sein, bringt auch die beste Analyse nichts. Ich kenne das Unternehmen, die Spiele, das Geschäftsmodell und kann beim besten Willen nichts finden.
Bei der Investition in tinyBuild habe ich zwar das Chancen-Risiko-Verhältnis beachtet, verglichen mit anderen Investments ist tinyBuild aber ein sehr großes Risiko gewesen. Deshalb habe ich eine Summe investiert, die ich selbst entbehren kann, die mir nicht wehtut. Ich denke, dass ein sehr langer Atem notwendig ist, bis sich das Investment in tinyBuild auszahlt. Ich werde deshalb die Aktie nach aktuellem Zeitpunkt nicht nachkaufen oder verkaufen.
tinyBuild 2022 Earnings
Revenue: $63.3% +21% YoY
Profit Before Tax: $15.9m +27% YoY– Solid performance from new titles including Hello Neighbor 2, Tinykin, Asterigos, Spiderheck and back catalogue sales.
– Acquired NotGames, developer of Not for Broadcast, for max. $5.7m. pic.twitter.com/c37le2oSIg— MauroNL (@MauroNL3) March 29, 2023
3 Kommentare
Aufgrund deiner Antwort zu meinem Embracer-Kommentar bin ich auf Tinybuild aumerksam geworden und gebe dir uneingeschränkt recht: Fundamental betrachtet ist das ein unterbewertetes Unternehmen und vermutlich ein guter Kauf. Ich habe mir sehr viele Steambewertungen zu den Games angeschaut, die sind oft überraschend gut. Für mich ist da nix dabei, ich begreife auch nicht, wie man solche Spiele kaufen kann, es sei denn, man ist in den 90ern hängen geblieben;) Zielgruppe ist definitiv nicht der Massenmarkt und es lassen sich auch nur kleine Verkaufspreise realisieren. Dennoch überlege ich, aufgrund der Zahlen am 01.06. mit 1000 Euro einzusteigen. Danke für den Tipp!
ich bin damit halt mies auf die Nase gefallen :D. Aber versuch mal dein Glück 😀
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